Malerweg Etappe 5: Von Neumannmühle nach Schmilka

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Tag 5 auf dem Malerweg von Neumannmühle nach Schmilka bringt Treppendeppen über tückische Stolperfallen durch den Wald voll lauter Bäumen, über gesperrte Brücken zu Sphinx, E.T. und dem kleinsten Felsentor des Weges, bevor es vom aussichtslosen Winterberg zum eisigen Bergfrieden geht, wo Abschied nur ein Wort ist (19. September 2019, 14 Kilometer)

So laut unser gestriger Spieleabend verlief, so laut gestaltet sich die Nacht. Ich werde meine Strategie, älteren Herren bei der Bettenwahl aus dem Weg zu gehen, künftig noch einmal überdenken. Zwei der Damen, die um mich herum verteilt liegen, stehen einem männlichen Profi-Krawallmacher in nichts nach. Es wird ungebremst aus allen Öffnungen, die der Körper hergibt, geschnarcht. Eine herrliche Kakophonie, bei der meine Ohropax schlicht ihren Dienst verweigern.

Was ich zudem recht verstörend finde, ist, dass auf meiner Seite des Ganges die Wanderer wie Ölsardinen nebeneinander liegen, während Mitspieler Mario von gestern Abend gemütlich quer über die Matratzen liegt und damit ganze vier Stück mit Beschlag belegt. Ja, er hat ein wehes Bein, aber das scheint mir dennoch etwas übertrieben.

Ich mache mich zum Treppendeppen

Um kurz vor sieben habe ich die Faxen dicke und stolpere mit gefühlt drei Stunden Schlaf die Treppe hinunter. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Genau rekonstruieren kann ich es anschließend nicht mehr. Die Stufen der gewendelten Treppe sind außen breit und innen schmal. In der Mitte befindet sich eine Schutzauflage aus Stoff, die zum Betreten verlockt, auch wenn die Stufe dort eher schmal ist. Plötzlich auftretender Gegenverkehr, als die Tür eines der Zimmer rechts der Treppe aufgerissen wird, während gleichzeitig jemand die Treppe hinaufkommt, erschweren meine verschlafene Koordination.

Irgendwie mache ich eine falsche Bewegung, mein nur mit Socke bekleideter Fuß schnellt nach vorn, und ich falle nach hinten und holpere, wie in einem schlechten Film, die letzten vier Stufen auf Rücken und Armen abwärts. Es geht alles so schnell, dass ich gefühlt von einer auf die nächste Minute auf Etage Eins liege, was den Typen, der gerade sein Zimmer ansteuert, nicht aufhält und bei dem Deppen, der auf der Treppe vor mir läuft, lediglich zu einem „Geht’s?“ reicht, natürlich ohne die Antwort abzuwarten. Wenn sich vor mir auf der Treppe jemand derart abmaulen würde, würde ich hingehen und ihm aufhelfen, aber vielleicht erwarte ich da zu viel.

Völlig unter Schock rapple ich mich auf und gehe mit zittrigen Beinen treppabwärts Richtung Keller. Im Waschraum mit den großen Spiegeln begutachte ich den Schaden. Das wird heiter werden. Mir tut der Rücken weh und zudem ziert 20 Minuten später ein schillerndes Ei meinen rechten Oberarm, während sich mein linker Ellbogen bläulich einfärbt. Auf dem Rücken findet sich eine fünfzehn mal fünf Zentimeter große rote Stelle, auf den unteren Wirbeln habe ich Schürfwunden.

Verletzungs-Best-Of am Abend. Soll keiner sagen, ich könnte keine Farbe tragen.

Es sieht alles andere als glorreich aus, aber wenn ich die Situation richtig einschätze, habe ich extrem viel Glück gehabt. Da hätte wahrlich mehr passieren können.

Frühstücksfreunde

Ziemlich bedröppelt gehe ich wenig später, immer noch mit Wackelknien und einer ordentlichen Portion Adrenalin im Körper, hinauf in den Schlafraum. Inzwischen sind die meisten wach, das Licht wurde bereits eingeschaltet. Valerie und Silvia packen ihren Kram zusammen. Ich erzähle den beiden was passiert ist und muss mich echt zusammenreißen, um nicht das Heulen anzufangen. Spätestens beim Hinaufgehen habe ich diese komischen Treppen-Deckchen, die auf den Stufen ausgelegt sind, als Mittäter unter Verdacht.

Beim Frühstück sind uns allen feste Plätze zugeteilt worden. Ich schaffe es erneut nicht mit meinen beiden bayerischen Wanderbekanntschaften an einen Tisch. Mein Namensschild befindet sich auf exakt dem Platz, auf dem ich bereits gestern Abend saß. Bei mir sitzt Eva, die ich gestern bereits im Biergarten gesehen habe, als sie, genau wie ich, alleine mit ihrer Zigarette beschäftigt war. Eine Unterhaltung blieb aus, weil sich wenig später Valerie neben mich setzte.

Dieses Gespräch holen wir jetzt nach. Ich mag die Berlinerin von Anfang an. Heute ist ihr letzter Tag, der, genau wie meiner, in Schmilka enden wird. Ich hoffe, wir sehen uns dort noch mal, denn Eva kommt viel rum, da sie für eine NGO arbeitet und hat mit Sicherheit eine Menge zu erzählen. Sie hat in der Nacht zuvor auf dem Brand übernachtet. Ich beneide sie ein wenig, weil sie den Ausblick in Ruhe genießen konnte. Sie hingegen fand es stellenweise etwas gruselig, da sie komplett alleine in der mitten im Wald gelegenen Unterkunft war.

Unser Frühstück in der Neumannmühle ist übrigens genauso grandios wie das Abendessen gestern. Es gibt eine große Käse- und Wurstauswahl pro Tisch, dazu ausreichend Brötchen, Kaffee und Tee. Ich wiederhole mich, aber ich kann die Unterkunft nur wärmstens empfehlen.

Ein Wald mit lauter Bäumen

Um zehn mache ich mich auf den Weg, der kurzzeitig wenig dekorativ entlang der Straße geht und dann am Ufer der Kirnitzsch vorbei in den Wald führt.

Entlang der Kirnitzsch, Malerweg Etappe 5 Neumannmühle Schmilka
Idyllischer Morgenspaziergang am Wasser

Meine größte Angst, dass der Rucksack genau auf die Stelle drücken könnte, auf der es mich am schlimmsten erwischt hat, erweist sich als unnötig. Prellung und Gepäck haben Gott sei Dank keinen Kontakt. Ich merke meinen Sturz zwar bei jedem Schritt, aber immerhin kann ich laufen, das ist die Hauptsache.

Abbrechen wäre ein sehr unrühmliches Ende gewesen, zumal die Geschichte einfach nicht den kleinsten Hauch Abenteuer gehabt hätte. Ich bin weder, wie befürchtet, beim Klettern gestürzt, noch habe ich ein Kleinkind oder Tier gerettet – ich war einfach zu blöd, eine Treppe hinunterzugehen.

Gleich nach dem Überqueren der Kirnitzsch bietet sich die Gelegenheit eines kühlen Getränkes, aber es ist mir noch zu früh für eine Pause. Auch für die heutigen knapp 14 Kilometer sind sieben Stunden angesetzt. Schauen wir mal. Und so führt mein Weg schon bald durch Wald, Wald und wieder Wald. Im Vergleich zum gestrigen Feuerwerk fällt die Strecke heute massiv ab. Normalerweise erfüllt mich bereits die Tatsache, allein zwischen den Bäumen zu laufen, mit Freude. Heute ist dem nicht so. Ich latsche wie im Tunnel.

Es mag mit meiner ausbaufähigen Laune nach dem Sturz zusammenhängen, aber ich finde es wahrlich sehr durchschnittlich. Als ich Valerie und Silvia einhole, grüße ich nur kurz und marschiere weiter. Mir ist gerade nicht nach unterhalten.

Holpriger Aufstieg Malerweg Etappe 5 Neumannmühle Schmilka
Hindernislauf beim Aufstieg

Der Weg passt sich meiner Stimmung an und zaubert ein paar Hindernisse aus der Hinterhand. Steinige, ansteigende Pfade machen mir den Aufstieg nicht gerade leicht. Wenig später versperrt mir eine umgefallene Tanne den Durchgang. Ich habe die Wahl zwischen Klettern und Limbo und entscheide mich für letzteres.

Hindernislauf Malerweg Etappe 5 Neumannmühle Schmilka
Wir machen den Weg frei – wo bleiben die Volks- und Raiffeisenbanken?

Als ich den Rucksack unten durch schiebe, stoße ich mit dem Arm an den Baum und bin schlagartig hellwach. Richtig, da war ja was. Und dieses Etwas schimmert inzwischen wundervoll violett.

Illegales Brückenqueren

Als ich die Anhöhe zum Großen Pohlshorn erklommen habe, lädt eine Schutzhütte zur Rast. In diesem Fall ist sie sogar ganz besonders attraktiv, denn in der Hütte habe ich Sybille aus dem Ruhrgebiet entdeckt, die ich an Tag Drei mehrfach traf. In ihr finde ich eine Rauchgenossin, mit der ich unter dem Holzdach die Erlebnisse der letzten anderthalb Tage Revue passieren lasse. Sibylle hat leider nach wie vor Schwierigkeiten mit ihrem Bein, weil immer mal wieder ein Taubheitsgefühl hineinschießt, was bei den Aufstiegen hier echt kein Spaß ist.

Sibylle bleibt aber optimistisch, sie lässt sich den Weg nicht versauen. Außerdem ist sie froh, dass heute ihre letzte Nacht in Bad Schandau bevorsteht. Sie hatte die Reise wegen ihrer Hüfte mit Gepäcktransport gebucht und war dadurch drei Tage am Stück in der gleichen Unterkunft, obwohl es auch am Weg genug Unterkünfte gegeben hätte, die ihr aber im Rahmen der organisierten Reise nicht angeboten wurden. So musste sie auch gestern den Bus von der Neumannmühle nehmen, um nach Bad Schandau zurückzukehren. Ich erzähle von unserem geselligen Abend und meinem unrühmlichen Abgang heute Morgen.

Aussicht vom Pohlshorn
Das Gute an oben – die Aussicht vom Pohlshorn

Wo ein Aufstieg war, lässt die nächste Aussicht natürlich nicht lange auf sich warten. Weniger ansprechend ist hingegen eine Bergzunge, die zwar ausgeschildert ist (den Namen habe ich vergessen), die aber absolut rein gar nichts zu zeigen hat, denn Bäume versperren den potenziellen Blick.

Versperrte Aussicht Malerweg Etappe 5 Neumannmühle Schmilka
Wie sie sehen, sehen sie nichts

Das irritiert auch die drei Rentner-Wanderer, die mir gefolgt sind und nun nicht glauben wollen, dass es nichts zu sehen gibt und sie zurück müssen, damit ich an der schmalen Stelle an ihnen vorbei kann.

Naturbelassener Wald Malerweg Etappe 5 Neumannmühle Schmilka
Nationalpark-Anblick: Hier greift niemand ein, der Wald darf wachsen, wie er will.

Anschließend geht es durch den naturbelassenen Wald abwärts, über etwas, das man mit viel Fantasie Stufen nennen könnte, das aber eher wie Bretter aussieht, die Karriere als Stolperfalle machen wollen.

Treppen abwärts Malerweg Etappe 5 Neumannmühle Schmilka
Die Treppen sind vom vielen Gebrauch kaum noch als Stufen erkennbar.

Zwanzig Minuten später stehe ich wieder an der Kirnitzsch, die man hier eigentlich über eine kleine Brücke überqueren kann. Nun wird die Brücke aber gerade erneuert und eine umständliche Umleitung ist ausgeschildert. Ich hatte davon bereits im Netz gelesen. Der dadurch entstehende Umweg beliefe sich auf knapp drei Kilometer. Das Konstrukt vor Ort ist aber bereits so weit fortgeschritten, dass der Brücke nur noch ein Geländer fehlt, doch ein Schild verbietet den direkten Weg, davor stehen ein paar diskutierende Wanderer, zwei weitere stehen auf der anderen Seite und winken. Ich erkenne Valerie und Silvia.

Obwohl ich ja eigentlich zu der Sorte Menschen gehören, die man mit Verbotsschildern stoppen kann, scheint selbst mir der Umweg zu bescheuert, zumal es ja offensichtlich schon andere Leute unbeschadet überstanden haben. Sibylle ist inzwischen neben mir und entscheidet mit einem kurzen Blick auf die aufgemalte Umleitung, dass das nichts für sie ist und schreitet voran. Ich schließe mich an. Silvia dokumentiert meinen mutigen Vorstoß sicherheitshalber.

Todesmutig auf der ungesicherten Brücke 😉

Lauter leckeres Zeug im Zeughaus

Von hier ist es nicht mehr weit bis zum Zeughaus. Ich schließe auf zu den beiden, die bei mir nur „das schwangere Pärchen“ heißen. Ihr habe ich gestern mit meiner zweiten Duschmünze ausgeholfen, er stand am zweiten Tag neben mir an einer Bastei-Aussicht und fiel durch seine große Kamera auf. Wir unterhalten uns ein wenig, denn wir halten alle Ausschau nach der Gaststätte. Es ist zwölf, und die Vorstellung, ein Heißgetränk und etwas zu essen abzugreifen, ist absolut verlockend.

Kurz darauf sehen wir unser Ziel, das ein paar Meter abseits des Weges gelegen ist. Die Terrasse ist gut gefüllt, obwohl es heute recht frisch ist. Uns ist das zu kühl und so setzen wir uns nach drinnen. Ich glaube, die meisten Wanderer haben übersehen, dass es auch hier Plätze gibt, denn im Raum sind gerade mal vier andere Leute.

Ich will von Daniel und Katharina wissen, wie es sich schwanger läuft. Sie seufzt. Die beiden waren schon oft zu Fuß unterwegs und müssen sich an das neue Tempo gewöhnen. Wenn es aufwärts gehe, habe sie ganz schön zu kämpfen, erzählt sie mir. Ich ziehe absolut beeindruckt den Hut. Ich finde, es ist eine mega Leistung, diesen Weg im fünften Monat zu gehen.

Während die beiden sich eine verlockend duftende Kürbissuppe reinziehen und ich meinen Pflaumenkuchen wegatme, will Daniel wissen, wie der Weg von den Affensteinen bis zum Kuhstall gewesen sei. Die beiden haben eine alternative Route genommen.

Ich erinnere mich, dass sie mir gestern hinter dem Kuhstall an den kerzengerade abgeschnittenen Felswänden aus entgegengesetzter Richtung entgegenkamen. Als ich bestätige, dass das Stück wegen der breiteren Wirtschaftswege eher wenig spektakulär war, nickt er ihr bestätigend grinsend zu. Offensichtlich gab es geteilte Meinungen darüber, ob die Alternativ-Tour wirklich so eine gute Idee war.

Wie sich herausstellt, ist sind die Zwei in Schmilka in der gleichen Unterkunft wie ich. Wir werden uns also mit Sicherheit später wiedersehen.

Die kleinste Felsenhöhle am Goldstein

Als wir unseren Weg fortsetzen, trennen wir uns schnell. Katharinas Tempo am Anstieg, und es steigt hier wirklich übel an, ist mir zu langsam. Kein Wunder, dass sie die Einschränkung zwischendurch nervt. Gerade beim Bergaufgehen sollte jeder in seinem Tempo hochstiefeln.

Die Wolfsschlüchte Malerweg Etappe 5 Neumannmühle Schmilka
Wie so häufig ist die Steigung auf dem Foto kaum zu erkennen

Klack, klack, klack stemme ich die Stöcke in den Boden und drücke mich schwitzend hinauf. Ich wüsste zu gern, wie steil die Steigung hier tatsächlich ist. Man legt jedenfalls fix Höhenmeter um Höhenmeter zurück, denn bald ragen neben mir auch endlich wieder Elbstandstein-Brocken auf. Die habe ich heute Vormittag geradezu vermisst.

Malerweg Etappe 5 Neumannmühle Schmilka
Vertrauter Anblick – Elbsandstein zur Linken

Nach einer guten halben Stunde durch die Wolfsschlüchte, die ihrem Namen aber Gott sei Dank keine Ehre machen, erreiche ich den Rosssteig. Mit einem kleinen Abstecher nach links kommt man zur Goldsteinaussicht. Der Blick ist einmal mehr herrlich. Wie an den Schrammsteinen bietet sich auch hier die gewellte Felsplatte als Sitzplatz an.

Blick von der Goldsteinaussicht Malerweg Etappe 5 Neumannmühle Schmilka
Und wieder eine dieser unbezahlbaren Aussichten

Trotz der halbstündigen Rast im Zeughaus kann ich auch hier meinen Blick nicht lösen. Der Wald zu meinen Füßen schimmert einmal mehr märchenhaft in Grün-, Rosé- und Brauntönen. Ich sitze auf den Steinen und mein Herz hüpft vor Begeisterung. Wie schön ist es hier doch!

Mir fällt ein kleines Loch im Fels, gleich am Ende der Platte, auf. Wie so oft im Leben ist alles eine Frage der Perspektive. Wenn ich nah genug herangehe, könnte man denken, es sei die Felsenhöhle Kuhstall, die ich da vor der Linse habe. Nur die Tannennadel, die auf dem Boden liegt, verrät mich.

Felslöchlein Malerweg Etappe 5 Neumannmühle Schmilka
Die wohl kleinste Felshöhle Europas
Ausblick Goldstein Malerweg Etappe 5 Neumannmühle Schmilka
Wer genau hinschaut, sieht den Bogen links vom mittleren Stein – da ist sie, die kleinste Felsenhöhle.

Besuch bei Sphinx und E.T.

Der Malerweg nähert sich nun dem großen Winterberg, mit 556 Meter immerhin der zweithöchste Berg der sächsischen Schweiz. Inzwischen habe ich auch wieder Frieden mit dem Wald gemacht und freue mich an durch Tannennadeln sanft gepolsterten Wegen. Zaghaft blitzt die Sonne durch die Wolkenlücken und setzt ihre eigenen Highlights.

Plötzlich liegt zu meiner Linken eines der Weltwunder. Das ist eindeutig die sächsische Variante der Sphinx von Gizeh, oder sehe nur ich das?

Sphinx Malerweg Etappe 5 Neumannmühle Schmilka
Das ist ja wohl eindeutig die Sphinx…

Was diese Sphinx aber ganz besonders macht, ist ihre Wandlungsfähigkeit. Denn, das Thema hatte ich vorhin schon an der vermeintlichen Felsenhöhle: auch hier ist es eine Frage der Perspektive. Wenn man auf der anderen Seite steht, blickt einen auf einmal der knuffige Außerirdische E.T. an.

E.T. Malerweg Etappe 5 Neumannmühle Schmilka
…oder doch E.T.? …

Und um das Ganze zu komplettieren, gibt es auch noch eine Ansicht von hinten, die erneut komplett anders aussieht. Diesmal bietet sich ein zauberhaftes Gruppenbild mit Baum. Die Natur weiß wirklich zu überraschen und meine kindliche Fantasie zu wecken. Andere Leute sehen in diesem Stein übrigens etwas anderes, denn er ist als Katzenstein bekannt.

Malerweg Etappe 5 Neumannmühle Schmilka
… oder doch einfach nur ein hübsches Stilleben mit Baum?

Bretter, die die Welt bedeuten

Von der Sphinx läuft man noch eine knappe halbe Stunde, bis man den Großen Winterberg erreicht. Der Malerweg geht durch den Wald, ganz nah entlang der tschechischen Grenze, die nur einen Steinwurf entfernt ist.

Malerweg Etappe 5 Neumannmühle Schmilka
Auch eine Art Grenzweg

Ein naturbelassener Wurzelwaldweg wird wenig später von Holzbrettern abgelöst. Ich weiß nicht, ob damit Unebenheiten überbrückt werden sollen, oder ob ich mich ungeahnt in einem Moor befinde, bleibe aber sicherheitshalber auf den Brettern.

Bretterweg zum großen Winterberg Malerweg Etappe 5 Neumannmühle Schmilka
Bretter, die die Welt bedeuten

Sie lassen mich augenblicklich an einen der ersten Tage auf dem Caminho Portugues denken, an dem mich eine ähnliche Konstruktion viele Kilometer weit durch die Dünen führte. Was habe ich diese Strecke damals gehasst, als ich mit großer innerer Unzufriedenheit unterwegs war, die sich auf dem Wegstück entlud. Das ist heute definitiv nicht der Fall. Ich habe Spaß an den Brettern, die sich gefühlt endlos durch den Wald winden.

Großer Winterberg – abhaken

Als ich um drei oben auf dem Winterberg ankomme, winkt mir Valerie aus dem Biergarten zu. Ich setze mich mit einer Limonade zu Mutter und Tochter. Endlich haben wir mal einen Tisch für uns. Es sind die letzten Stunden der beiden. Morgen geht es nach Hause. Gemeinsam gehen wir wenig später in Richtung des Aussichtsturms, der hier errichtet wurden. Für einen Euro bekommt man einen angeblich beeindruckenden 360-Grad Ausblick. Den braucht man auch, denn von unserem momentanen Standort aus ist absolut nichts zu sehen, auch wenn wir uns dreimal auf dem zweithöchsten Berg befinden.

Mit unseren Rucksäcken zwängen wir uns erst durch die Drehtür und dann durch ein schmales Treppenhaus hinauf. Schon wieder Anstieg. Für den Euro hätten sie uns hier ruhig einen Aufzug hinstellen können, witzeln wir. Dann ist auch diese Höhe geschafft. Oben sind wir alle ein wenig enttäuscht. Wir haben in den letzten Tagen so viele tolle Panoramen genossen, dass der Blick in die Bäume, hinter denen sich die hügelige Landschaft abzeichnet, nicht so richtig zu überzeugen weiß.

Blick vom großen Winterberg Malerweg Etappe 5 Neumannmühle Schmilka
Okay, aber nicht spektakulär 

Also klar, ist schön, aber noch mal würde ich hier nicht hinaufsteigen, zumindest nicht, wenn die Bäume voller Blätter stehen, denn dann ist der Ausblick überschaubar. Haken dran.

Eine Frage der Perspektive, Teil Drei

Vor uns liegen, wenn ich mich an meine Vorabrecherche erinnere, gleich zwei Superlative: der schlimmste Abstieg und der teuerste Abzock-Ort. Die Rede ist vom Weg hinab nach Schmilka.

Wegidylle Malerweg Etappe 5 Neumannmühle Schmilka
Mal wieder idyllisch hier

Als Trio machen wir uns plappernd auf den Weg. Das Gespräch trägt uns über potenzielle Unwägbarkeiten, die Dreiviertelstunde durch den Wald hinab nach Schmilka mit ihren vielen, viele Stufen, registrieren wir eher am Rande.

Stufen hinunter nach Schmilka Malerweg Etappe 5
Stufen bringen einen nach fünf Tagen auch nicht mehr aus der Fassung

Wenn ich an Tag Drei durch den Tiefen Grund denke, ist das hier aus meiner Sicht wirklich Killefitz. Die Stufen werden von Kopfsteinpflaster mit großen Steinen abgelöst. Derweil diskutieren die beiden Ladies und ich über die immer populärer werdende Alpenüberquerungen von Oberstdorf nach Meran. Silvia erzählt von der Kraft der Unwetter in den Bergen und dem überschaubar großen Zeitfenster, in dem der Weg schneefrei ist. Kurz schmieden wir Pläne einer solchen Wanderung zu Dritt.

Kopfsteinpflaster kurz vor Schmilka Malerweg Etappe 5
Kopfsteinpflaster ist mal was anderes

Silvia ist fernwandererfahren. Sie berichtet mit strahlenden Augen vom West Highland Way. Für Valerie waren die drei Tage absolutes Neuland, aber auch sie hat Blut geleckt. Schneller als erwartet breitet sich zu unseren Füßen Schmilka aus.

Bei den Halsabschneidern

Ich habe vorab die ein oder andere Kritik an diesem Örtchen, das wohl auch gern von Tagestouristen heimgesucht wird, gelesen. Es gab warnende Blogs, negative Beurteilungen auf Hotelplattformen und bei meiner Busfahrt zum Liebethaler Grund an Tag Eins instruierte mich das Frankfurter Pärchen im Bus, mir Essen und Trinken vorab zu besorgen, da in Schmilka eine Flasche Bier exorbitante Preise habe. Das seien alles Halsabschneider.

Ich muss zugeben, dass ich beim ersten Blick auf das Dorf vollends entzückt bin. Die gepflegten Häuschen empfinde ich zumindest als äußerst ansprechenden Gegenentwurf zu den teils doch etwas runtergerockten Exemplaren entlang des Weges. Zur Feier des Tages setzen wir uns auf eine Bank mit Blick auf den Ort.

Am Ziel Malerweg Etappe 5 Neumannmühle Schmilka
Blick auf Schmilka – das Tagesziel ist erreicht

Schmilka ist von überschaubarer Größe und setzt komplett auf Bio. Ein Biohotel mit Wellness, eine restaurierte Mühle mit Biergarten, ein Bio-Bäcker, eine Bio-Brauerei – alles in der Hand des gleichen Inhabers, der dem Ort offensichtlich ordentlich Luft eingehaucht hat. Drumherum ein paar Häuser, viele davon mit Übernachtungsmöglichkeiten.

Sortenvielfalt Bio-Braumanufaktur Malerweg Etappe 5 Neumannmühle Schmilka
Eine Pyramide voll Bio-Vielfalt – die Erzeugnisse aus der ersten Bio-Braumanufaktur der Sächsischen Schweiz

Der Biergarten ist proppenvoll, die Schlange an der Theke erinnert an eine Hamburger Wohnungsbesichtigung. Dafür, dass laut Auskunft des Frankfurter Wanderpaares eine Flasche Bier hier über vier Euro kosten soll, greifen erstaunlich viele Menschen auf das Angebot zurück.

Biergarten Schmilk'sche Mühle Mahlerweg Etappe 5
Es wird frisch – um viertel nach fünf leert sich der Biergarten an der Schmilk’schen Mühle.

Während die Bayerinnen sich bereitwillig in die Schlange einreihen, gehe ich die wenigen Schritte bis zu meiner Pension Bergfriede, um meinen Rucksack loszuwerden. Der graue Klotz ragt nicht sonderlich anheimelnd vor mir nach oben.

Eisiger Bergfriede

Auf mein Klingeln öffnet eine ältere Dame humpelnd die Tür und geht mit mir in den Raum nebenan, in dem sich die Wäsche stapelt, Erschöpft sinkt sie auf einen Stuhl. Sie sei nur vertretungsweise hier, eigentlich wohne sie in Dresden, erzählt sie mir. Der Besitzer sei jedoch heute Morgen völlig unerwartet ins Krankenhaus gekommen und sie hätte hier früher geputzt, bis ihre körperliche Verfassung das nicht mehr zugelassen habe. Sie schaffe die Treppen einfach nicht mehr. Aber ihn heute im Stich lassen kam nicht in Frage, also sei sie gemeinsam mit ihrem Mann hergefahren.

Etwas überfordert (mit Booking kann sie nicht viel anfangen, das gab es damals noch nicht) durchwühlt sie die Unterlagen. Mein Zimmer sei ganz oben, verkündet sie. Sie könne mich leider nicht begleiten. Ich möge mit der Treppe aufpassen, dort sei sie einst übel gestürzt. Ich zeige ihr grinsend meine violetten Arme.

Als ich durch das eng gewundene Treppenhaus nach oben gehe, weiß ich, was sie meint. Die Stufen sind schmal und steil, mit Rucksack ist es hier fast zu eng. Vorsichtig steige ich hinauf. Ein Sturz reicht mir.

Das Zimmer in Schmilka ist mit 51 Euro das mit Abstand teuerste auf der gesamten Wanderung. Der Ort richtet seine Preise offensichtlich an denen des Biohotels aus. Es stört mich nicht sonderlich, denn die restliche Wanderung samt Unterkünften war wirklich preiswert. Dass ich nun aber behaupten könne, mir würde in dem ca. 20 Euro teureren Etablissement zusätzlicher Komfort geboten, wäre gelogen.

Mein Badezimmer teile ich mir mit den Gästen im Zimmer nebenan. Das stört mich nicht. Was ich hingegen als problematisch empfinde, ist die Raumtemperatur. Gefühlt war hier die ganze Nacht das Fenster offen, denn es sind gefühlt 15 Grad. Bevor ich zurück zu Silvia und Valerie gehe, drehe ich von daher die Heizung auf.

Fliegender Bekanntschaftswechsel

Mein Timing hätte nicht besser sein können. Zurück im Biergarten haben die beiden Münchnerinnen gerade die Spitze der Schlange erobert. Gemeinsam machen wir es uns in einem letzten Sonnenstrahl gemütlich. Es dauert nicht lange, bis ich Eva entdecke, die sich kurzerhand zu uns setzt. Valerie versorgt mich derweil mit Zigaretten, da meine zur Neige gegangen sind.

Drei Damen, vier Bier – Eva, Silvia und Valerie passen auf mein Getränk auf

Die arme Eva hat ein echtes Abenteuer hinter sich. Sie ist einen anderen Weg gegangen und hat sich mit ihrem Rucksack von einer eher unglücklichen Seite aus den Winterberg hinaufgehangelt und ist fix und fertig. Abkürzungen sind nicht immer schneller, stellen wir fest.

Wir sitzen gute anderthalb Stunden bei Hellem und Bernsteinbier, die beide wirklich prima schmecken, bis es einfach zu kühl wird. Angeschwitzt erwischt einen Kälte immer heftiger. Ich verabschiede mich von Mutter und Tochter, die ihren letzten Abend in Bad Schandau verbringen werden. Mit Eva verabrede ich mich nach dem Duschen zum Abendessen.

Als ich zurück im Bergfrieden bin, hat sich die Temperatur leider nicht mal ansatzweise verändert. Die Heizung scheint noch nicht eingeschaltet zu sein. Gut für mich, dass das Bad frei ist. Ich zwänge mich in die Dusche mit einer Deckenhöhe von 1,80 Meter und wasche mir in gebückter Haltung die Haare, anders klappt es nicht. Wie der großgewachsene Herr aus dem Nebenzimmer duschen soll, ist mir schleierhaft.

Aufgewärmt und mit nassen Haaren (ich finde leider keinen Fön) treffe ich wenig später wieder auf Eva. Sie sitzt bereits im Restaurant, Fuhrmann’s [!] Elb-Café, gleich gegenüber meiner Unterkunft. Als ich im mollig warmen Raum im ersten Stock ankomme, teilt sie den Tisch mit Katharina und Daniel. Es ist ein wenig wie bei Hase und Igel, man trifft sich auf dem Malerweg immer wieder. Ich freue mich, dass die beiden wohlbehalten ans Ziel gekommen sind.

Wir haben einen wirklich netten Abend, der bei mir noch von einem absolut hervorragenden Biergulasch gekrönt wird. Daniel und Katharina zeigen uns Fotos von anderen Wanderungen, Eva erzählt von Ärzte ohne Grenzen. Die Zeit verfliegt. Die anfangs etwas spröde Kellnerin taut merklich auf, je häufiger sie ihr Weg an unseren Tisch führt. Als ich das Essen lobe, erklärt sie stolz, dass das Biergulasch so etwas wie das Signature Dish des Ladens ist, Leute kämen extra deswegen hierher.

Auf meine Frage nach Zigaretten bekomme ich eine enttäuschende Antwort. Nein, es gäbe in ganz Schmilka keinen Automaten, der letzte sei dem Elbhochwasser zum Opfer gefallen. Und da die tschechische Grenze nur einen Steinwurf entfernt sei, kaufe sowieso niemand seine Glimmstengel vor Ort. Ich mache ein langes Gesicht, denn ich bin im wahrsten Sinne des Wortes abgebrannt. Welch ein Glück, dass Eva mir bereitwillig aus der Klemme hilft und ihren Vorrat mit mir teilt.

Schmilka, wo Abschied nur ein Wort ist

Auch nachdem sich Daniel und Katharina verabschiedet haben, sitzen die Berlinerin und ich noch länger zusammen und quatschen. Wie schade, dass ihr Malerweg heute zu Ende gegangen ist. Gern wäre ich noch ein paar Tage mit ihr unterwegs gewesen. Doch wenn ich morgen die Wanderung auf der anderen Elbseite fortsetze, wird sie es sich in der Therme in Bad Schandau gemütlich machen.

Als wir auf eine letzte Abschiedszigarette im kleinen Außenbereich sitzen, muss ich kichern. „Hier in Schmilka ist Abschied nur ein Wort“, gebe ich Eva pathetisch mit auf den Weg. Als sie mich fragend anschaut, deute ich nur auf das Schild, das über dem Ausgang thront und mache mich mit einem Aufwiedersehen auf den Weg in mein Bett im Eiskeller.

Hier ist Abschied tatsächlich nur 1 Wort

Auf die anstehende Nacht bin ich noch richtig gespannt. Mit meinen Prellungen wird das vermutlich abenteuerlich. Ich habe beim Abendessen bereits ein paar Mal aufgeschrien und zwar immer dann, wenn ich in alter Gewohnheit meinen linken Arm auf dem Tisch aufgestützt habe. Genau um die Spitze des Ellbogens herum ist ein wundervoll schillernder blauer Fleck. Als ich mich nun hinlege, beschwert sich mein Rücken umgehend. Auf ihm kann ich definitiv nicht liegen. Das Herumdrehen macht aber auch richtig Spaß, weil beide Arme momentan nicht zum Aufstützen taugen. Das kann heiter werden.

Morgen geht es dann mit der Fähre auf die andere Seite und weiter bis Gohrisch. Daniel und Katharina werden mich den Tag über begleiten, erst beim Frühstück hier in Schmilka, dann in der Unterkunft in Gohrisch. Denn auch morgen haben wir die gleiche Pension gewählt, wie wir beim Essen herausgefunden haben. Ich freue mich sehr, dass ich also wieder nette Gesellschaft haben werde. Was die Wiedersehens- und Fernwandererquote anbelangt, ist der Malerweg wirklich ganz ausgezeichnet aufgestellt.

 

 

Kommentare und Feedback

Mein Neumannmühlener Treppensturz war tatsächlich das erste Mal, dass ich mich auf einer Wanderung verletzt habe und rückblickend hatte ich wahnsinnig großes Glück. Was ist das Schlimmste, was dir unterwegs passiert ist und konntest du anschließend weitermachen oder hattest du vielleicht weniger Glück als ich?

Bist du selbst die heutige Etappe schon einmal gelaufen? Wie hat sie dir gefallen und was hast du erlebt? Wie immer freue ich mich über deine Kommentare, Ergänzungen, Empfehlungen und Fragen.

Willst du wissen, wie ich mir den Malerweg eingeteilt habe oder benötigst du weitere Informationen? Dann schau doch mal in meinen Übersichtsartikel, der neben allen Unterkünften auch weitere Tipps für deine Wanderung im Elbsandsteingebirge bereithält.

Zeitreise

Vorwärts: Willst du wissen, wie es weitergeht? Dann geh mit mir von Schmilka nach Gohrisch und lerne, dass der sächsische Komparativ von schön Schöna ist, gönn dir eine Runde Fähr Play mit Ratsch bumm bumm, erlebe wie Cher vor Zwergponys singt und beschließe den Tag mit einer Audienz auf dem Papst und Würzfleisch und Opa Karl zum Abendessen, bevor es mit dem Tiger ins Bett geht.

Rückwärts: Hast du diesen Beitrag zufällig gelesen und fragst dich, welche angeblichen Highlights ich am Vortag erlebt habe? Dann begleite mich von Altendorf nach Neumannmühle durch eine klamme Klamm, vorbei an Schrammen und Affen, Nadeln und Bindfäden und über einen schmalen Grat, mit dem Hintern voran Kalinka singend, zum größten Kuhstall und Henry Maskes letztem Kampf.

Sekundärliteratur

Ich bin schon ein paar Mal gefragt worden, ob man den Malerweg mit Hund laufen kann. Man kann, auch wenn man je nach Hund wegen der Leitern vermutlich besser ab und zu auf andere Wege ausweicht. Wie das am besten geht, kannst du bei Inga nachlesen. Ihr Beitrag zur Strecke von Neumannmühle bis Schmilka zeigt außerdem, wie unterschiedlich man die gleiche Etappe empfinden kann, denn während ich sie eher unter unspektakulär verbucht habe, war sie für Inga die Schlimmste von allen, die sie an ihre körperlichen Grenzen gebracht hat.

Malerweg mit Hunden – 5. Etappe

Ich muss das weitersagen

Und was sagst Du?