Die Traumetappe an Tag Vier auf dem Malerweg von Altendorf nach Neumannmühle bietet Roomservice, eine klamme Klamm, Schrammen und Affen, Nadeln und Bindfäden und führt auf einem schmalen Grat, mit dem Hintern voran Kalinka singend, zum größten Kuhstall und Henry Maskes letztem Kampf beim lauthalsen Glücksspiel (18. September 2019, 18 Kilometer)
Mein kleines Tagebuch sagt rückblickend über diesen Tag: „Wie zu erwarten war, war es ein Traum.“ Und da jeder Traum mit gutem Schlaf einhergeht, kann ich auch diesbezüglich nur schwärmen. Ob ich es der herrlich ruhigen Unterkunft samt kuscheligem Bett, dem Rotwein am Vorabend oder dem guten Essen verdanke, weiß ich nicht. Fakt ist, dass ich um kurz nach sieben ausgeruht und mit Energie zum Bäumeausreißen aus dem Bett springe. Königsetappe, here wo go.
Nach drei Tagen auf dem Malerweg bin ich im Training, mein anfänglicher Schiss vor dieser Etappe mit Gratweg, Leitern, Halterungen und potenziellen Abgründen ist fast verschwunden. Bisher war alles gut machbar – wieso sollte das heute anders sein?
Ich habe Roomservice
Als es pünktlich um halb acht an meine Türe klopft, bin ich gestriegelt und gespornt, bereit für das Frühstück. In meinem Paket ist (vermutlich in Ermangelung eines Gäste-Esszimmers) Roomservice inkludiert. So lerne ich auch endlich Frau Prescher kennen, die ihrem Mann in Herzlichkeit in nichts nachsteht. Mit einem Tablett voller Köstlichkeiten steuert sie auf meinen Tisch zu und deckt auf.
Es sei ihr schrecklich unangenehm, die Brötchen seien heute Morgen nicht geliefert worden, sie habe vorerst nur Brot für mich. Ich finde das nicht weiter problematisch, da fährt sie auch schon fort, dass Rettung nahe. Ihr Mann sei auf dem Weg zum Bäcker, um diesen Missstand zu ändern. Ich sehe das völlig entspannt. Hauptsache, sie hat Kaffee dabei und das hat sie.
Ich verschwinde also erst einmal zu meinem üblichen Ritual nach draußen und qualme ein Ründchen, den dampfenden Kaffee in der Hand. Kaum schmiere ich wenig später meine Brote, werden die Brötchen nachgereicht. Ich frühstücke ganz in Ruhe. Obwohl vor mir die längste Etappe liegt, habe ich es nicht eilig.
Beste Unterhaltung bietet mir der Blick aus dem Fenster, welches zu jener Straße hinausgeht, von der der Malerweg abbiegt. Ich beobachte erste Wanderer und entdecke ab und an bekannte Gestalten. Als ich das nächste Mal gegen viertel vor neun aufschaue, sehe ich plötzlich eine ganz besondere Person: dort geht eindeutig Joachim. Stock und Hut sind unverkennbar.
So schnell, wie er um die Ecke biegt, kann ich gar nicht aufstehen und das Fenster öffnen, um nach ihm zu rufen, aber zumindest weiß ich jetzt, dass es ihm gut geht und dass er vor mir sein wird. Dann kann ich mich heute also doch noch ordentlich von ihm verabschieden, denn ich bin überzeugt, dass ich ihn einholen werde.
Mondäne Filmstars
Frau Prescher bringt noch eine frische Ladung Kaffee mit Milch. Ich könnte sie knutschen. Desweiteren hat sie einen Plastikbeutel dabei, in dem sich mein Lunchpaket befindet. Ich wusste ehrlich gesagt gar nicht, dass ich eines bekomme und staune nicht schlecht, als ich Brot, eine grobe Wurst, Obst und etwas Naschkram finde. Was für eine tolle Unterkunft ist das denn bitte? Mit meinem frischen Kaffee gehe ich noch mal auf meine Terrasse.
Es ist kurz vor neun. Noch schnell meine Schulden begleichen, dann kann es auch schon losgehen. Ich klopfe an der Nachbartür, überreiche mein Geld und bedanke mich von ganzem Herzen. An der Wand im Flur erspähe ich eine wunderschöne schwarz-weiß Fotografie eines jungen Paares. Sie lehnt den Kopf an ihn, er strahlt verliebt. Das könnte sofort als Motiv für ein Filmplakat aus den Fünfzigern herhalten. Auf meine Nachfrage bestätigt Frau Prescher, dass das sie und ihr Mann sind. „Wir haben uns ein wenig verändert“, sagt sie lachend.
Durch die klamme Klamm über Stock und Stein
Kaum aus der Tür stehe ich auch schon auf dem Malerweg, der im rechten Winkel zur Hauptstraße abbiegt. Die Anwohner haben ihre Häuser mit dem ein oder anderen Wanderaccessoire geschmückt. Bepflanzte Wanderschuhe sind dabei schwer angesagt.
Zehn Minuten später platze ich auf einer Wiese mitten in eine Diskussion über den rechten Weg. Die Beschilderung ist nicht ganz eindeutig. Der großgewachsene Typ mit Riesenrucksack und seine Freundin ohne alles aus Belgien sind uneins mit dem deutschen Duo, das auf dem Abstieg von der Bastei vor mir lief. Mein GPS und das Bauchgefühl des Deutschen stimmen überein: wir müssen eine Schleife abwärts laufen. Belgien nimmt dennoch einen anderen Weg, der ihnen die Dorfbachklamm ersparen wird, wie ich später erfahre.
Die Klamm hat es dann tatsächlich in sich. Statt eines Weges geht es über große und kleine Steine abwärts. Mehrfach ertappe ich mich dabei, wie ich laut sage: „Das ist jetzt nicht euer Ernst!“ Doch genau das ist es. Vorsichtig setze ich Fuß vor Fuß, bewege mich teilweise sogar sitzend vorwärts. Nach dem gestrigen Regen sind die Steine klamm und stellenweise rutschig. Ich bin mal wieder froh, die Stöcke dabei zu haben.
Während bei jedem kleinen Wegrutschen meines Fußes eine Welle Adrenalin durch meinen Körper spült, wandern meine Gedanken zu Joachim und meinen anderen Weggefährten. Sie alle haben dieses Stück bereits erfolgreich hinter sich gebracht. Dann sollte mir das doch wohl ebenfalls gelingen! Und so schlingere ich vorsichtig weiter nach unten. Erfolgreich.
Nach den Steinen erwarten mich zur Abwechslung geschwungene Leitern. Das erleichtert die Fortbewegung, wenn auch mit gebotener Vorsicht, denn auch Stufen können rutschig sein. Ich verstaue die Stöcke und halte mich stattdessen mit beiden Händen am Geländer fest.
Im Kirnitzschtal angekommen und aus dem Wald heraus liegt vor mir der Campingplatz Ostrauer Mühle. Auch hier gibt es Übernachtungsmöglichkeiten für Wanderer in einem separaten Gebäude, höre ich später und bewundere eine überdachte Hängematte, in der es sich offensichtlich jemand direkt am Fluss gemütlich gemacht hat.
Aus dem Augenwinkel bemerke ich, dass sich eine mehrköpfige Herrengruppe Marke Kegelclub lautstark auf den Weg macht und sehe zu, dass ich einen Schritt zulege, damit ich nicht die nächsten Kilometer das Geplapper im Ohr habe.
Kurz hinter der Campinganlage verliert sich mein Weg im breit gefächerten Wurzelwerk, das den Boden überzieht. Es geht aufwärts, so viel ist klar, wenn auch unklar ist, wohin genau.
Lange suchen muss ich nicht, bis sich der Malerweg wieder klar als Pfad zu erkennen gibt. Einmal mehr darf ich durch Tannenwald laufen und freue mich über den Trampolineffekt, den die Nadeln auf dem Boden mit sich bringen.
Auch hier sollte man jedoch nicht zu verträumt langlaufen. Es gibt immer wieder dicke Steine, Äste und Unebenheiten, die berücksichtigt werden wollen und verhindern, dass es einem langweilig wird.
Auf dem Weg zu den Schrammsteinen
Ich sehe längere Zeit keine Menschenseele, der Kegelclub scheint erfolgreich abgehängt. Erst in der Nähe der Schrammsteine wird es wieder lebhafter. Verschiedene Wanderwege treffen hier aufeinander und eine bayerische Mutter-Tochter-Konstellation fragt mich nach dem Malerweg. Sie hätten mich gestern an der Bushaltestelle in Altendorf gesehen, weiß die Tochter, somit müsse dies hier ja der Malerweg sein, was ich guten Gewissens bestätigen kann.
Es dauert nicht lange, bis ich einen ersten Blick auf mein heutiges Tageshighlight werfen kann. Felsformationen der Schrammsteine blitzen ab und an durch die Bäume hervor. Ich freue mich auf die Königsetappe.
Am Eingang, dem großen Schrammtor, wimmelt es geradezu vor Menschen. Ich pausiere, auf einem Stein gegenüber hockend, und warte darauf, dass der Pulk sich auflöst und ich einem kollektiven Gänsemarsch entkommen kann.
Szenen einer Ehe
Währenddessen beobachte ich Szenen einer Ehe – glaube ich zumindest. Ein Paar in den frühen Siebzigern ist in eine heftige Diskussion verstrickt. Ich kann nicht hören, was sie sagen, aber ab einem bestimmten Punkt dreht er sich bockig um und stapft von dannen, während sie mit resigniertem Gesichtsausdruck stehen bleibt. Vermutlich haben sie sich gestritten, und nun hat er keine Lust mehr, während sie nicht klein beigeben will.
Ich sehe, wie die Dame am Eingangsbereich von einem Fuß auf den anderen tritt und immer wieder vergeblich auf ihr Handy schaut. Er hat sich nicht gemeldet. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass er sie wirklich mitten im Wald stehen lässt, aber von ihm fehlt die nächsten zehn Minuten jede Spur.
Inzwischen hat sich das Menschengewimmel verflüchtigt, so dass ich aufbreche. Ausgerechnet die besagte Dame spricht mich im Vorbeigehen auf meinen Rucksack an. Die Chance, mein Hirngespinst aufzulösen, kann ich mir nicht entgehen lassen und so frage ich, ob ihr Mann sie einfach habe stehen lassen. Sie lacht und erzählt, dass er auf dem Weg hierher sein Handy verloren habe, welches er nun suche. Kurz darauf klingelt ihr Telefon. Er war erfolgreich.
Tänzchen mit dem Angstgegner
Wenige Schritte später verschluckt mich der Elbsandstein. Die Imposanz der zerklüfteten Felsen begeistert mich. Staunend setze ich meine Schritte vorbei an emporragenden Gesteinsformationen. Der Malerweg zeichnet sich für mich zunehmend durch zwei Dinge aus: nirgends gibt es so viele Stufen und nirgends fühlt man sich so unglaublich klein. Wie schon an Tag Eins, im Uttewalder Grund, haben die Felsen erneut die grandiose Eigenschaft, Geräusche zu schlucken, so dass ich zwischendurch glauben darf, allein zu sein.
Ich setze den Weg fort und treffe bald wieder auf Gesellschaft. Alle Wanderer müssen sich nun zwischen zwei Varianten entscheiden, wenn sie auf die Schrammsteine wollen. Entweder folgt man dem regulären Weg über den Jägersteig-Aufstieg, an den sich der Gratweg anschließt, oder man wählt den kürzeren und anspruchsvolleren Weg, den Wildschützensteig.
Für mich stellt sich die Frage nicht, ich werde die einfachere Variante wählen. Die heutige Etappe ist diejenige, die mir vor der Abreise das größte Kopfzerbrechen beschert hat. Es heißt, Schwindelfreiheit und gute Kondition seien erforderlich, auf Erstere kann ich mich nur bedingt verlassen. Da werde ich kein weiteres Risiko suchen, zumal ich als zusätzliches Hindernis meinen Rucksack trage, der mich nicht gerade in ein bewegliches, leichtes, feenhaftes Wesen verwandelt.
Auf dem kurzen, gemütlichen Stück über einen sanft geschwungenen Waldweg lässt mich ein Trio meines Alters passieren. Ich sei so schnell unterwegs, da würden sie lieber Platz machen, auch wenn ich sage, dass das nicht nötig sei. Erneut wandern meine Gedanken zu Joachim. Es verwundert mich, dass ich ihn immer noch nicht eingeholt habe. Er muss mit ordentlichem Tempo unterwegs sein.
Von Leitern, freischwebenden Geländern und dem schmalen Grat
Klammheimlich ärgere ich mich, dass ich das Trio überholt habe. Sie werden mir im Nacken sitzen, wenn ich mit Puddingbeinen und Wackelknien die Schrammsteine unsicher mache, während sie sich dann vermutlich fragen, wann es endlich weitergeht. Doch erst einmal geht es hier weiter. Es ist so weit. Vor mir wachsen die Leitern des Jägersteigs in den Himmel.
Ich schraube meine Stöcke zusammen, meine häufigste Geste des heutigen Tages, und befestige sie am Rucksack. Kurzes Räuspern, einmal tief Luft holen, dann ergreife ich mit beiden Händen die Geländer und ziehe mich aufwärts.
Nach den Leitern am Fels geht es heiter weiter auf Leitern durch den Fels. Gelegentlich muss ich mich ein wenig drehen, weil der Rucksack wehleidige Kratzgeräusche von sich gibt, während er – wie passend für die Gegend – an den engen Wänden vorbeischrammt.
Zwei Minuten später bin ich oben und starre etwas ungläubig auf eine Steinplatte mit einzelnen Trittlöchern. Weiter oben ist ein Griff wie bei einem Geländer angebracht. Schnell ist klar, dass ich mich daran hochhangeln muss. Noch schneller offenbart sich, dass der Rucksack dabei nicht unbedingt mein Freund ist. Seine zehn Kilo wollen grundsätzlich in eine andere Richtung als ich und ziehen mich ordentlich nach hinten.
An Tagen wie heute spart man sich das Hanteltraining, denke ich, als ich am Geländer hänge. Den Rucksack habe ich so nah wie möglich an meinen Rücken gezogen, damit wir nach Möglichkeit eine Einheit bilden. Na also, schon ist es geschafft. Sicherlich nicht sonderlich elegant, aber wen juckt das. Mir entfährt ein kleines, inneres Tschakka. Die Abenteuerlust hat mich gepackt. Das ist noch mal eine andere Nummer als immer nur geradeaus laufen.
Der Weg bleibt spannend. Erst windet er sich eng am Felsen entlang und trennt mich nur durch ein schmales Geländer vom Abgrund, dann führt er über Felsstufen, die stellenweise so ausgetreten sind, dass sie in kleinen Bögen herabhängen, als würden sie mich anlächeln.
Adrenalin schießt durch meinen Körper und ja, die Beine waren auch schon mal stabiler, aber Schwindel und Konsorten bleiben auf dem Stück aus, dafür bahnt sich eine große Welle Endorphin ihren Weg.
Und dann bekomme ich als Sahnehäubchen auch noch eine Aussicht, die mir schier die Sprache verschlägt. Vor mir schießen die Felstürme wie Pilze aus dem Boden. Es ist überwältigend. Wie traumhaft ist unsere Welt?
Aussichtslos, ich komm nicht von der Aussicht los
Hier stehe ich und staune, freue mich wie ein kleines Kind und würde auf und ab hüpfen, wenn ich nicht Angst hätte, zu stolpern und in den ungesicherten Abgrund zu sausen. Zwei Herren, die der Mundart nach zu schließen aus der näheren Umgebung stammen, betrachten mich lachend. Ob ich das erste Mal hier sei? Wir unterhalten uns kurz, und ich gestehe ihnen meinen Schiss vor dem Gratweg. Sie lächeln meine Angst weg. Das sei alles halb so schlimm. Ich hätte es doch bis hierher geschafft?
Bis heute bin ich mir nicht sicher, ob ich vielleicht, ohne es zu merken, einen anderen Weg als besagten Gratweg gegangen bin, oder ob die spektakulären Bilder von Leitern, die steil an Fels entlang hoch und darüber hinweg führen, eine andere Passage sind. Vielleicht habe ich es auch verdrängt? Wie auch immer – ich erreiche zwanzig Minuten später die Schrammsteinaussicht, die mich für alle Wandermühen entlohnt.
Vor mir breitet sich eine riesige Steinfläche aus, die sich hervorragend zum Sitzen eignet. Es sind vielleicht zehn Menschen auf dem Areal verteilt. Auch ich suche mir ein gutes Plätzchen. Bis zum Ende meiner Wanderung wird diese Pause eines meiner Highlights sein, denn der Blick, der sich bietet, ist umwerfend.
Links die schroffen Steine, vor mir dunkelgrüner, dichter Wald, dahinter glitzert die Elbe und beschreibt eine sanfte Rundung, auf deren grüner Rasenfläche der Papststein und der Gohrisch bereits auf mich warten. Sie werde ich am vorletzten Tag meiner Tour besteigen.
So fühlt sich für mich Glück an. Es ist diese Mischung aus Größe, Weite, Ruhe und Erhabenheit und daneben man selbst, einfach nur herrlich klein und unwichtig. Mit dem Panorama vor Augen schmeckt der Inhalt meines Lunchpaket noch besser.
Ich verbringe eine Dreiviertelstunde hier oben, da ich mich einfach nicht satt sehen kann. In der Zwischenzeit füllt sich die Steinplattform zusehends. Als ich aufbrechen willl, wimmelt es vor Menschen.
Von den Schrammen zu den Affen
Eine Dame klettert zielstrebig auf mich zu und spricht mich an. Ich sei doch die junge Frau, die vorgestern mit einem älteren Herrn unterwegs gewesen sei? Sie hätten diesen Herrn vorhin getroffen. Ich bin wahrlich erleichtert. Joachim ist wohlauf und demnach gleich um die Ecke. Die Dame kann letzteres leider nicht bestätigen. Als sie ihn trafen, sei er bei den Schrammsteinen herumgeirrt und habe den Einstieg in den Malerweg gesucht. Sie wären ein Stück mit ihm zusammengegangen, hätten sich dann aber wieder verloren.
Er habe sie nach mir gefragt und sei sehr traurig, dass er mich verloren hätte. Ich fühle mich schlagartig schlecht. Es ist wie verhext, dass wir uns immer wieder verpassen. Ich sage im Brustton der Überzeugung, dass ich ihn heute auf jeden Fall noch sehen werde, entweder hier oben, sonst definitiv auf dem Weg zum Lichtenhainer Wasserfall. Ich soll mich täuschen.
Von den Schrammsteinen geht es durch Wald weiter in Richtung Affensteine. Ein Highlight jagt das nächste, eine Aussicht reiht sich an eine andere. Ich bin phasenweise so übersättigt, dass ich mir den Blick vom Carolafelsen schenke. Derweil zieht es sich zu.
Nach einer knappen halben Stunde kraxle ich schon wieder mitten durch charakteristische Steinformationen. Die Angst hat sich komplett verabschiedet.
An die Kette gelegte Probleme
Ich genieße mein Abenteuer und hüpfe wenig später fröhlich über breite Felsbrocken. Auch hier hat man wieder einen tollen Blick. Auch die Sonne kämpft sich stellenweise zurück.
Ich bin mit meinen Gedanken gerade ganz woanders, als mich eine Stimme aus selbigen reißt: „Na schau, dann hat sie jetzt ja das gleiche Problem!“ Vor mir steht die bayerische Mutter-Tochter-Kombo im Gespräch mit einem anderen Duo. Ich schaue verwundert. War mir neu, dass ich ein Problem hätte.
Sie wüssten alle nicht weiter, erklärt man mir und nun sei ich dann ja Teil des Clubs. Ich fühle mich nicht wirklich als Teil der Selbsthilfegruppe. Bisher habe ich mich Dank heruntergeladener Strecke noch nicht verlaufen. Mit dem GPS-Signal kann ich jederzeit prüfen, wo der Weg weitergeht und so schaue ich auch diesmal nach. Wie vermutet, müssen wir uns links halten. Die Frau des Ehepaars ist nicht wirklich überzeugt, dass man mir glauben könne und flüstert ihrem Mann zu, dass sie lieber warten sollten. Ich verweise auf die weitestgehend unfehlbare Technik und gehe achselzuckend weiter. Sollen sie machen, was sie wollen.
Die Gruppe folgt mir. Als uns Wanderer von der anderen Seite entgegenkommen, werden auch diese von der Dame befragt. Ob sie wüssten, wo der Malerweg verlaufe. „Genau hier“, geben die Wanderer Auskunft. „Sag ich ja“, kann ich mir nicht verkneifen, woraufhin mich die Frau von hinten anzischt, dass sie eben lieber zweimal frage, als sich zu verlaufen.
Sie hat etwas an sich, das mich wirklich reizt, und so sehe ich zu, dass ich Land gewinne. Ich komme nicht weit. Ein neues Hindernis stoppt mich. Diesmal gilt es, sich unter Zuhilfenahme einer Kette, am Fels abzuseilen.
Als hätte ich nie etwas anderes gemacht, greife ich mir die Kette, stelle mich mit dem Gesicht zum Felsen und laufe quasi quer an seiner Wand weiter. Ein Gefühl wie auf dem Kinderspielplatz. Es macht mir so viel Spaß, dass ich beschließe, mich nächstes Jahr mal nach Wegen umzuschauen, die auch (leichte) Kletterpassagen enthalten. Der kleine Adrenalinkick gefällt mir.
Hindernislauf für Fortgeschrittene
Im Waldstück, das sich anschließt, wartet mit dem kleinen Prebischtor ein weiteres Highlight auf mich. Bewundernd bestaune ich den riesigen Baum mit noch riesigerem Wurzelwerk, das eine Fläche einnimmt, auf der man problemlos ein Haus bauen könnte. Wie schön, dass sich in diesem Moment Valerie und Silvia neben mir einfinden und ein Bild machen. Die zickige Dame und ihr Mann hingegen sind fort.
Auf unser interimistisches Trio wartet nun ein Hürdenlauf, der sich aus verschiedenen Mutproben zusammensetzt. Erste Station ist eine steinige, steil abfallende Passage, die ich unter Zuhilfenahme meiner Stöcke, mit quer gestellten Füßen und sehr viel Zeit meistere.
Es folgt ein Stück über Boden, der von den herumliegenden Tannennadeln übertrieben grün eingefärbt wird und der sich ebenfalls als tückisch erweist, weil Unebenheiten nicht auszumachen sind. Vorsichtig tapsen wir vorwärts und informieren uns gegenseitig über Löcher und Wurzeln.
Als letzte Station müssen wir eine Treppe nehmen, die gefühlt senkrecht abfällt, wobei Treppe noch sehr optimistisch formuliert ist. Es sind eher an die Unterlage gekloppte Bretter. Ich bin froh, dass Mama Silvia den Anfang macht und mit gewisser Expertise sofort entscheidet, dass man dieses Konstrukt besser mit dem Hintern voran meistert.
Ich tue es ihr nach, schraube zum wiederholten Male die Stöcke zusammen und komme erfolgreich nach unten. Auf die Idee, mich auf der Treppe umzudrehen, wäre ich selbst so schnell gar nicht gekommen. Ich werde in den nächsten Tagen noch mehrfach an Silvia denken, wenn ich ähnliche Hindernisse souverän überwinde. Derweil stapfe ich bald durch tiefen Sand, der es locker mit einem Strand aufnehmen könnte.
Von Bindfäden und Nadeln
Nach diesen vielen Highlights gönnt der Weg mir eine kurze Pause. Es geht vorerst durch den Wald in Richtung der bekannten Brosinnadel, eines weiteren, charakteristischen Steingebildes. Auf diesem flachen Stück verliere ich meine beiden Begleiterinnen wieder.
Der Himmel zieht sich derweil so düster zu, dass ich mich in Regenjacke und mit Regenschutz deutlich besser aufgehoben fühle. Keine Minute zu früh, wie sich zeigt, denn kurz darauf regnet es Bindfäden. Ich flüchte mich in ein Wäldchen am Wegesrand, während es um mich herum fröhlich plätschert. Wo kommen denn diese Sturzbäche her?
Gott sei Dank dauert es nicht lange, bis es weniger wird und ich meinen Weg fortsetzen kann. Die Brosinnadel nehme ich eher aus dem Augenwinkel wahr, da sie nur aus sicherer Entfernung passiert wird.
Silvia und Valerie bleiben derweil verschwunden, so dass ich mich langsam frage, ob sie sich verlaufen haben.
Wo ist Henry Maske, wenn man ihn braucht?
Eine Viertelstunde später erreiche ich Lichtenhain mit seinen Wasserfällen, die beide auf ihre Art zu überraschen wissen. Der erste verbirgt sich dekorativ hinter dem moosgrünen Geflecht eines Netzes, das den Bauzaun dekoriert und durch das man hindurchfotografieren kann, um einen idyllischen Lost Place für die Nachwelt festzuhalten.
Also weiter, entlang der Hauptstraße, die von den Gleisen der hiesigen Kirnitzschtalbahn durchzogen wird, die bis nach Bad Schandau fährt. Joachim habe ich immer noch nicht gesehen. Ich verstehe die Welt nicht mehr. Auf eine ordentliche Verabschiedung muss ich also verzichten.
Vorbei an besagter Bahn, die in strahlendem Gelb neben mir einfährt, erreiche ich ahnungslos eine Touri-Attraktion, die es mit der Bastei aufnehmen kann. Es ist halb drei, und ich peile beherzt das Gasthaus an, in dessen Außenbereich ich einen Herrn am Grill erspäht habe, der mich magisch anzieht. Verwundert nehme ich das touristische Gewusel um mich herum wahr. Der Biergarten ist brechend voll, dabei ist der Wasserfall ein eher enttäuschendes Rinnsal.
Ich stehe am Grill, ein Schmugglerbier in der Hand und warte auf meine Thüringer, als wie aus dem Nichts Vangelis‘ Conquer of Paradise ertönt. Suchend schaue mich nach Henry Maske um, doch statt einlaufendem Boxer folgt ein Platschen, das in ein Rauschen übergeht.
Sämtliche Touristen springen auf und gruppieren sich, das Handy zum Abschuss in der Hand emporgereckt, rund um den eben noch gemächlich tröpfelnden Wasserfall, der nun richtig in Wallung gerät.
Wie ich herausfinden werde, findet dieses Spektakel alle halbe Stunde statt. Der gute, alte Vangelis-Song macht dabei auch dem Letzten klar, dass es nun wieder soweit ist. Zwei Minuten später ist der Spuk vorbei. Henry Maske bleibt übrigens weiterhin verschollen und so setzen sich meine Wurst und ich an einen Tisch in die Sonne.
Es ist übrigens eine der besten Grillwürste, die ich in meinem Leben gegessen habe. Wer in der Gegend ist, möge sich eine holen. Zur Thüringer gibt es ein herausragend frisches Brötchen.
Von Kuhställen und Himmelsleitern
Nach einer halben Stunde Pause raffe ich mich ein letztes Mal auf. Mich erwartet als abschließendes Highlight dieser Tour der Kuhstall, das größte Felsentor auf dem Malerweg und, nach dem Prebischtor in der böhmischen Schweiz, das zweitgrößte im Elbsandsteingebirge. Der Malerweg führt erneut hinauf in den Wald, vorbei an keuchenden Menschen, die sich aufwärts schleppen.
Ich stelle einmal mehr fest, wie schnell man beim Wandern Kondition aufbaut. Dieser Aufstieg zum Neuen Wildenstein, in dem sich das Felsentor befindet, hätte mich an Tag Eins auch noch gefordert. Nach vier Tagen erscheint er mir hingegen recht gut machbar.
Vorbei an einer Kolonie von Steinmännchen überhole ich erneut das Trio, das mich heute Morgen am Jägerstieg vorbeigelassen hat. Wir unterhalten uns kurz, dann gehe ich voran. Im Anstieg ist langsam gehen kein Rezept für mich. Nach insgesamt zwanzig Minuten habe ich die Höhle erreicht.
Sie ist 11 Meter hoch, 17 Meter breit und 24 Meter tief. Rund um die Namensgebung ranken sich verschiedene Legenden. Bei den einen war es ein Raubritter, der hier sein erbeutetes Vieh versteckte, bei den anderen schützten Anwohner hier ihre Tiere während des 30-jährigen Krieges.
So oder so weiß der Kuhstall zu begeistern, zumal es dahinter eine weitere, tolle Aussicht gibt. Einen noch besseren Blick in die Landschaft bietet sich einem jedoch, wenn man der durch den Fels führenden Himmelsleiter folgt. Auch wenn ich heute bereits viele Höhenmeter gemacht habe, will ich darauf nicht verzichten und steige wenig später steil aufwärts.
Ich mag diese schmalen Stiegen zwischen den Felswänden hindurch. Diese hier ist besonders, da es kein Geländer gibt, das einen zur Seite absichert, während man über 108 Stufen steigt. Andere, wie etwa das Trio, das inzwischen wieder aufgeschlossen hat, sehen davon ab. Eine der beiden Ladies fürchtet um ihre Platzangst.
Kalinka, Kalinka
Als ich wieder im Tageslicht stehe, begrüßt mich eine Dame, die auf einer Bank gegenüber sitzt, augenzwinkernd mit: „Willkommen im Himmel!“ Der Blick vom Plateau des Neuen Wildensteins ist tatsächlich himmlisch. Von der Burg, die hier einst stand, ist hingegen nichts mehr zu erkennen.
Vom Himmel geht es dann auf Stufen entlang des Felsens ganz profan zurück auf die Erde. Am Fuße des Gesteins wartet noch ein weiteres Mikroabenteuer. Die Zerklüftung der Felsen bringt nämlich eine Ansammlung von Höhlen mit sich. Eine davon, das Schneiderloch, ist ausgeschildert.
Am Eingang treffe ich erneut die Frau, die mir an den Schrammsteinen von Joachim berichtet hat. Ihr Mann will sich die Kraxelei nicht antun und erklärt sich netterweise bereit, meinen Rucksack zu hüten, während ich wenig später in der Hocke durch die Höhle robbe.
In meinem Kopf singt es „Kalinka, Kalinka“. Nur mit Mühe kann ich mich davon abhalten, kleine Sprünge aufzuführen. Ist vermutlich besser so, denn die Decke hängt tief. Am Ende der Höhle hat man erneut einen schönen Blick. Nach kurzem Klettern über niedrige Steine, stehe ich wieder am Eingang, bereit meinen Weg für heute zu beenden.
Durchgeschnittene Felsen und letzte Aufstiege
Der Malerweg führt nun durch eine Kulisse, die geradezu unnatürlich wirkt. Stufen führen zwischen aufragenden Felswänden hindurch, die wirken, als hätte jemand sie mit einem Messer geschnitten, so gerade fallen sie ab. Sie würden sich gut als styroporene Dekoration in einem Freizeitpark machen, nur dass sie hier echt sind.
Ich bin froh, dass ich mich erst mit dem Ehepaar unterhalte und dann wieder auf das Trio treffe, denn langsam fordert der Tag seinen Tribut. Die knapp 18 Kilometer hatten es mit 670 Höhenmeter hinauf und 750 hinunter wirklich in sich. Es ist halb fünf, und ich bin seit mehr als sieben Stunden unterwegs. Da hilft Gruppendynamik gegen die Müdigkeit.
Gemütlich trotten wir durch den Wald. Das Trio peilt die gleiche Unterkunft an wie ich. Als wir vor uns eine geteerte Straße sehen, wähne ich uns schon am Ziel, doch der Malerweg hat sich noch eine kleine Überraschung zum Abschluss überlegt. Er schwenkt kurz vorher nach rechts, einen letzten, steilen, wenn auch kurzen Anstieg hinauf. „Ja, sehr witzig“, schimpfe ich, sehr zum Amüsement des Trios, das sich ähnlich schwerfällig hinaufkämpft. Wir sind alle platt.
Der Weg verläuft nun erst oberhalb, später dann entlang des Flusses, aber immer parallel und in Augenhöhe zur Hauptstraße. Eine Viertelstunde später sind wir erleichtert am Ziel. Die historische Neumannmühle liegt gleich an der Straße, wir hätten also auch den Teerweg nehmen können.
Matratzenlager, Olé
Die gleichnamige Berghütte ist ein absoluter Knaller und für mich die schönste Unterkunft auf dem ganzen Malerweg. Bei meiner Ankunft staune ich nicht schlecht über die vielen Wanderer, die bereits da sind. Der Essensraum ist voll und zu meiner großen Überraschung entdecke ich Valerie und Silvia. Sie seien ein Stück mit den Öffis gefahren, erzählen sie mir lachend.
Ich habe mich für eine Nacht auf dem Matratzenboden entschieden. Da ich meinen eigenen Hüttenschlafsack dabei habe, gibt es an der Rezeption eine warme Wolldecke kostenlos dazu. Hier gibt es außerdem Münzen für Warmwasser in den Duschen (und glaubt mir, eine Münze reicht).
Der Schlafraum ist urgemütlich. Matratze reiht sich an Matratze, und ich entscheide mich schnell für die linke Seite des Raums. Auf der rechten habe ich ein paar ältere Herren erspäht, die mir verdächtig nach Schnarchern aussehen. Sicherheitshalber lege ich aber trotzdem gleich die Ohrstöpsel auf mein Kissen. Es sind mehr als 15 Leute hier.
Bevor ich duschen gehe, setze ich mich mit einem Bier in den Biergarten. Dem WLAN sei Dank kann ich der Außenwelt meine sichere Ankunft mitteilen, denn Empfang gibt es hier keinen. Ich schreibe ein wenig Tagebuch und fahre langsam runter.
Aufgrund der günstigen Preise hatte ich in der Hütte mit deutlich weniger Komfort gerechnet. Umso begeisterter bin ich über den Druck der Duschen im Keller. Eine wunderbar prasselnde, heiße Rainshower Dusche wartet auf mich. Was für ein Luxus! Meine zweite Duschmünze (so lange kann man gar nicht unter der Dusche stehen, dass man zwei benötigen würde) überlasse ich kurz darauf dem schwangeren Mädel, das ich seit Tag Zwei mit ihrem Freund sehe. Sie freut sich, dass sie nicht erst wieder nach oben muss, um sich eine eigene zu holen.
Laut und lecker – ein Abend in der Neumannmühle klingt aus
Anschließend begebe ich mich ins Restaurant, das leider nach wie vor brechend voll ist. Am Tisch von Valerie und Silvia sitzen bereits andere Wanderer, so dass ich mich notgedrungen zu Fremden platzieren lasse. Ein wahrer Glücksgriff, wie sich zeigen wird. Mit mir am Tisch sitzen ein Schweizer um die Zwanzig und ein Mann um die 50 mit seiner Partnerin.
Die beiden Männer haben sich auf einer Bergtour im Himalaya kennengelernt und treffen sich nun wieder. Schnell entwickelt sich bei leckerem Schwarzbier ein Gespräch, das erst unterbrochen wird, als das Essen serviert wird. Meine Rouladen mit Rotkohl und tschechischen Serviettenknödeln sind zum Dahinschmelzen.
Beim Rauchen auf der Terrasse gesellt sich Valerie zu mir und erzählt mir ein wenig von sich, davon, dass gestern ein absoluter Scheißtag war, weil ihr Hund verstorben sei und von der Wanderleidenschaft ihrer Mutter, von der sie sich erstmals habe anstecken lassen. Wanderleidenschaft ist mein Stichwort und so berichte ich von Jakobswegen und dem Blog.
Als ich erwähne, dass an meinem Tisch gleich Karten gespielt werden, leuchten ihre Augen. Schnell ist es beschlossene Sache, dass Valerie und Silvia mitspielen werden. Zu sechst scharen wir uns um den Tisch. Kaum sind die Regeln des Spiels Dobble erklärt, geht es auch schon los. Wir schreien uns zu siebt an, um ja vor den anderen das übereinstimmende Bildchen zu benennen.
Wenn wir nicht gerade unerträglich laut mit Begriffen um uns werfen, lachen wir uns halb tot. Ich vermute, wir sind der mit Abstand anstrengendste Tisch im ganzen Raum und so rechne ich es den anderen Gästen hoch an, dass sie immer nur grinsend und kopfschüttelnd zu uns herüberschauen. Um viertel nach zehn geht der grandiose Abend zu Ende.
Leise schleichen wir zu unseren Matratzen. Wie es der Zufall will, liege ich gleich neben Silvia und Valerie. So wecken wir wenigstens niemanden auf. Beim routinierten Sortieren in der Dunkelheit und mit Blick auf meine bereitliegenden Sachen muss ich direkt an meine Caminos denken. Die zweckmäßige Einfachheit und das gemütliche Miteinander in der Hütte sind identisch zum Lebensgefühl in den spanischen Alberguen.
Das ist vermutlich einer der Gründe, warum mir die Berghütte Neumannmühle so gut gefällt: nach dem Laufen teilt man hier Essen und Schlafen. So etwas ist herrlich gemeinschaftsstiftend. Spätestens morgen nach dem Frühstück kennen sich viele Wanderer persönlich, so dass sie auch unterwegs ein paar Worte wechseln werden. Wäre es nicht toll, wenn es solche Unterkünfte auf deutschen Fernwanderwegen häufiger gäbe?
Kommentare und Feedback
Was für eine Traumetappe und dann auch noch ein so schönes Ende! Warst du schon mal auf den Schrammsteinen oder den Affensteinen und teilst meine Begeisterung? Wie lange hast du für die Etappe gebraucht? Bist du vielleicht sogar in der Neumannmühle untergekommen? Und kannst du meine Begeisterung über Wanderhütten teilen? Was war bisher deine liebste Unterkunft?
Ich freue mich wie immer über Kommentare, Ergänzungen oder Fragen.
Willst du wissen, wie ich mir den Malerweg eingeteilt habe oder benötigst weitere Informationen? Dann schau doch mal in meinen Übersichtsartikel, der neben allen Unterkünften auch weitere Tipps für dich bereithält.
Zeitreise:
Vorwärts: Möchtest du wissen, wie es weitergeht? Dann geh mit mir von Neumannmühle nach Schmilka. So viel sei verraten: obwohl der Weg nicht so spektakulär wird, wird es höchst dramatisch. Ich mache mich zum Treppendeppen auf den Weg durch den Wald voll lauter Bäumen, über gesperrte Brücken zu Sphinx, E.T. und dem kleinsten Felsentor des Weges, bevor ich lerne, dass in Schmilka Abschied nur ein Wort ist.
Rückwärts: Bist du heute zufällig hier gelandet und möchtest wissen, was am Vortag passiert ist? Dann begleite mich über 1.500 Stufen zu grottigen Aussichten, krachenden Panoramen, Abhängen am Abhang und einen spontanen Dreier mit einem Haufen Regenkleidung auf dem Weg von Hohnstein nach Altendorf.
Sekundärliteratur
Ich freue mich immer, wenn ich dir an dieser Stelle weitere Beiträge zeigen kann.
Stefan, der als Happy Hiker bloggt, ist genau wie ich den ganzen Malerweg gelaufen und auch für ihn war Etappe 4 die schönste auf der ganzen Tour. Viele seiner Motive habe ich wiedererkannt und auch die ein oder andere Gefühlsregung. Schau doch gern selbst.
Fehlt dir für den gesamten Malerweg die Zeit oder Lust? Von Bad Schandau aus kannst du die Schrammsteine, Affensteine und den Kuhstall auch als Tagestour erwandern und dabei sogar noch auf historische Transport-Gimmicks setzen. Wie das geht, erzählt mein Blogger-Kollege Sven alias theBackpacker, der die Gegend wie seine Westentasche kennt:
Liebe Audrey,
Ich hab wieder einmal mit sehr viel Emotionen und einem Lächeln im Gesicht deinen Bericht gelesen und die Bilder bestaunt. Heute kam es mir so vor, als sei ich selbst dabeigewesen, als hörte ich deine Stimme, wenn du erzählst! Wie bekannt ist mir die Furcht vor einer Etappe, für die Trittsicherheit erforderlich ist und auch das Auf-allen-Vieren-den-Hang-hinab habe ich gestern noch gemacht. Mittlerweile ist aus meiner allgemeinen Höhenangst eine offensichtliche Hinabfallangst geworden, diemit steigenden Gewicht (Rucksack) zunimmt.
Ist der Malerweg wirklich so schlecht ausgeschildert, dass sich alle naselang die Leute fragen, wo es lang geht?
Liebe Grüße
Myria Aurora
Hallo meine Liebe,
Freut mich wirklich, dass ich dich mitnehmen konnte – auch was die Befürchtung vor einer Etappe anbelangt. Irgendwie scheinen diese Ängste ein Eigenleben zu führen – meine ist offensichtlich genauso plötzlich verschwunden wie sie vor 5 Jahren auftauchte. Freut mich sehr – ich hatte halt wirklich Spaß, als ich immer wieder auf neue, kleine Hindernisse stieß.
Was die Ausschilderung anbelangt, ist der Malerweg (oder Maierweg, wie irgendwelche Spaßvögel gern aus den Schildern machen) nicht ganz so idiotensicher wie beispielsweise ein Camino. Es gibt nur selten Symbole an Bäumen, sondern läuft fast ausschließlich über Wegweiser und wenn die mal nicht exakt in eine Richtung weisen, steht man schon mal dumm da. Es verlaufen einfach so unglaublich viele Wege im Gebiet. Ich persönlich bin aber inzwischen sowieso ein Fan von GPS-Tracks, die ich jederzeit auch im Offline-Modus zu Rate ziehen kann. Netz ist da nämlich auch so eine Sache 😉
Schöne Adventszeit dir,
Audrey
Liebe Audrey,
als ich die ersten Absätze Deiner Wanderungs-Erinnerungen von deinem 4.Tag gelesen hatte, war mir klar geworden, wo mein erster „Knackpunkt“ auf meiner letzten Tagesetappe zu suchen war – schon kurz nach Altendorf trennten sich unsere Wege . . . Die „Dorfbachklamm“ habe ich an diesem Tag leider, leider nicht durchstiegen, sonst wären wir uns ganz sicher schon beim Abstieg ins Kirnizschtal wieder begegnet. Zwar habe ich danach auf den Wegweisern ins Tal das geschwungene „M“ des Malerweges – logischerweise – nicht mehr gesehen (und dich auch nicht!), aber im Kirnizschtal werde ich doch noch den Weg zu den Schrammsteinen finden.
Offensichtlich bin ich ein Wegstück oberhalb der Ostrauer Mühle ins Tal gekommen und fand vorerst nicht den Einstieg über die Kirnizsch zu den Schrammsteinen. So zuckelte ich mit meinem Rucksack notgedrungen zwischen den Straßenbahnschienen auf der Straße langsam bergan . . . An der Gaststätte „Mittendorfer Mühle“ konnte ich meinen Rucksack abgeben. Nur mit Foto, Wanderstock und Bauchgurt „bewaffnet“ eilte ich auf der Straße weiter bergan, bis ich den gesuchten Einstieg zu den Schrammsteinen an einem Parkplatz fand. Durch den langen „Nassen Grund“ strebte ich noch gut gelaunt und leichten Fußes direkt auf die Schrammsteine zu.
Vielleicht kreuzen sich dort unsere Wege . . .ich wollte unbedingt wieder auf den Malerweg zurück finden. Mein persönliches Tagesabenteuer – für dich war es deine Königsetappe – nahm seinen Lauf . . . meine Wanderkarten waren leider im Rucksack verblieben . . . ich mußte mich an den Wegweisern orientieren! Leichten Schrittes schaffte ich es bis auf den Gradweg der Schrammsteine und traf auf Wanderpartner der Vortage – das tat gut! Von dir – Audrey – war leider nichts zu sehen! Ich fragte nach dir. Nach dem Kurzbesuch auf der tollen Schrammstein-Aussicht – was für Weitblicke über das schöne Elbsandsteingebirge – wagte ich den Leiterabstieg zur anderen Seite (eigentlich Aufstieg-Einbahnstraße). Als ich unten ankam, da folgte mein zweiter Fehler. Ich war zwar wieder auf dem Malerweg, aber leider lief ich in die falsche Richtung – nicht zum Lichtenhainer Wasserfall – sondern zur Ostrauer Mühle (die ich ja am Vormittag noch nicht gesehen hatte!). Als ich dann am frühen Nachmittag erstmals wieder Straßenbahngeräusche vernahm war mir auch ohne Karte und ohne GPS klar, ich mußte wieder im Kirnitzschtal sein. Lief dann noch auf dem beschwerlichen Flößersteig am linken Ufer der Kirnitzsch talaufwärts, mein Rucksack wartete noch . . .Mir lief die Zeit davon, denn ich wollte zwischen 14.00 und 15.00 Uhr in Bad Schandau sein (Vereinbarung mit meiner Nichte plus Ehemann). In etwa auf der Höhe der Gaststätte „Mittendorfer Mühle“ querte ich barfüßig die Kirnitzsch, holte mein Gepäck und fuhr mit der Straßenbahn das letzte Stück bis Bad Schandau.
Mein „Empfangskomitee“ saß schon vor einem Cafe bereit, als ich 14.30 Uhr mit Hut, Rucksack und Wanderstock um die Ecke kam . . .ich hatte viel zu erzählen . . .
Erkenntnis: Deine Königsetappe war meine „Abenteuer-Etappe“ ohne happy end. Ohne gute Wanderpartner, ohne Karte und ohne Wanderkarten-GPS ist man in solch‘ einer komplizierten und unübersichtlichen Wandergegend aufgeschmissen. Wir beide waren uns wohl auf den Schrammsteinen sehr nahe gewesen. Aber es reichte nicht zu einem ordentlichen Abschied.
Deine ereignistreichen Erlebnisse bis zum Quartier in der Neumannsmühle habe ich mit großem Interesse gelesen. Deine gefühlsbetonten Erlebnis-Berichte lassen sich sehr gut lesen und nachempfinden. Habe Dank für deine nette Begleitung über zwei halbe Tage, für den gemeinsamen Abend und Frühstück in der Jugendherberge Hohenstein. Für mich war deine Bekanntschaft zu machen das Erlebnis auf meiner 3-Tages-Tour. Das soll es aber noch nicht gewesen sein! Vielleicht sehen wir uns auf einer Tour im Harz, im Thüringer Wald oder sonstwo.
Übrigens: Die besten Bratwürste gibt es nur in Thüringen!
Dir eine schöne Adventszeit und viele Grüße
Joachim
Lieber Joachim,
Jetzt haben wir also endlich Klarheit. Dann hast du es vermutlich ähnlich gemacht wie das belgische Pärchen und diese komische Schleife in der Wiesenlandschaft übersehen. Was für eine frustrierende Wanderung du stattdessen entlang der Schienen unternommen hast. Dass du dann spätestens ohne Karte vom Weg angekommen bist, erklärt sich von selbst. Bei deiner Einbahnstraße abwärts handelte es sich dann vermutlich um den Wildschützensteig, den man eigentlich nur hinauf aber nicht hinunter darf.
Die Episode barfuß zurück zum Rucksack hat zwar großen Abenteuercharakter, aber war ja nun auch nicht unbedingt von Nöten.
Und soll ich dir das überhaupt verrückteste verraten: wir waren zeitgleich in Lichtenhain. Es war laut Fotostempel 14:26 Uhr, als ich die einfahrende Bahn fotografiert habe. Du saßt also vermutlich in ihr, wenn du um 14:30 dort warst. Hättest du nur eine Wurst gegessen – dann hätten wir uns doch noch erwischt 🙂