Tag 3 auf dem Malerweg von Hohnstein nach Altendorf bietet tektonische Krisenherde, kulinarische Tiefschläge, grottige Aussichten, krachende Panoramen, Abhängen am Abhang, einen spontanen Dreier, einen Haufen Regenkleidung und dazwischen mehr als 1.500 Stufen (17. September 2019, 12 km)
Die Schulklasse auf meiner Etage der Jugendherberge in Hohnstein hat mir gestern Abend noch lange Freude bereitet. Die Rennerei und das Geschrei waren mein konstanter Begleiter. Ersteres fiel in einem solch beeindruckenden Maße aus, dass ich mich in einem tektonischen Krisenherd wähnte, weil bei jedem Fuß, der mit jugendlichem Leicht- beziehungsweise Schwersinn auf den Boden prallte, meine Matratze ordentlich durchgeschüttelt wurde.
Um wenigstens Herr über den Lärm zu werden, wanderten um halb elf die Ohropax in meine Öhrchen. Dermaßen von der Welt abgekapselt schlief ich tief und fest. Das ist wohl das Beste am Wandern: man ist kaputt genug, um locker neun Stunden wegzudämmern.
Eijeijei, letzte Chance vorbei
Morgens trödle ich ein wenig beim Packen, so dass ich um eine entscheidende Viertelstunde zu spät den Frühstücksraum betrete. Joachim war da besser organisiert als ich. Er sitzt bereits an „unserem“ Tisch vom Vorabend, vor sich eine schöne Auswahl Leckereien. Es ist voll im Raum, und der Geräuschpegel setzt mir zu. Wie eigentlich immer bin ich so lange hyperempfindlich, bis ich einen Kaffee samt Zigarette intus habe.
Das kann Joachim natürlich nicht wissen, und so schaut er leicht verwundert, als ich mit einem genuschelten Guten Morgen ohne Lächeln nach seiner Kanne Kaffee greife, mir einschenke und im gleichen Atemzug den Rückzug nach draußen antreten. Die Regenwolken hängen symbolisch dunkel über Hohnstein, was man aus der erhöhten Position der Burg bestens bestaunen kann. Die Sonne versucht, sich ähnlich wie meine gute Laune ihren Weg zu bahnen, kommt aber vorerst nicht gegen die dichte Wolkensuppe an.
Ich beobachte ein Mädchen aus der Schulklasse, das mir bereits gestern aufgefallen ist. Sie sitzt die ganze Zeit allein, tippt auf ihrem Handy herum und lässt jegliche Kontaktversuche und Neckereien ihrer Mitschüler an sich abprallen, bis es zur Eskalation kommt. Und so schreit sie wie schon gestern Abend ihre Klassenkameraden an, sie sollen sie in Ruhe lassen. Dieses Mädchen beschäftigt mich. Hat sie Heimweh? Ist sie die Außenseiterin der Klasse? Macht sie es sich schwer oder wird es ihr schwer gemacht? Sie wird jedenfalls vermutlich später nicht allzu nostalgisch auf ihre Schulzeit zurückschauen.
Als ich wieder hineingehe, um mich am Büffet zu versorgen, trifft mich die Enttäuschung mit voller Breitseite. Die Eier sind aus, dabei ist es gerade einmal halb neun. Frühstück gibt es eigentlich bis halb zehn. Als es mir endlich gelingt, eine der Bedienungen, die es sich mit ihren Kolleginnen gerade in der angrenzenden Küche gemütlich gemacht hat, auf mich aufmerksam zu machen, bestätigt sich meine Befürchtung. Obwohl ich freundlich nachfrage, ob es noch Eier gäbe, ist die Antwort vernichtend: weg ist weg. Und nein, sie werden keine neuen kochen. Anders als in der Küche der Jugendherberge, kocht es in mir gewaltig. Erst die Nacht des Lärms, jetzt auch noch ein Restefrühstück.
Ich greife vom Büffet ab, was noch zu holen ist, doch das ist recht überschaubar. Anschließend hocke ich mich zu Joachim und klage ihm mein Leid. Anders als ich ist er voller Tatendrang, bester Laune und schmiedet Pläne für uns, während mir Grumpy Cat auf der Schulter sitzt, die beleidigt vor sich hin maunzt. Faszinierend, wie ich mir von Kleinigkeiten die Laune verderben lassen kann. Herrgott, es sind nur Eier und eine eingeschränkte Auswahl an Belag. Ich werde ja trotzdem satt! Wie kann man sich da so reinsteigern? Nun, ich kann. Das muss reichen.
Schlüsselkind mit Klompen
Joachim nimmt mein Gejammer gelassen hin, bietet mir sogar an, sein Proviant-Ei zu opfern, doch ich schlage aus. Das kann ja auch nicht des Rätsels Lösung sein! Währenddessen führt mein temporärer Begleiter aus, was uns heute auf der Strecke erwartet. Ich stolpere über die vielen „Wirs“ und „Unse“. Heute ist ein Tag, an dem ich erst einmal Zeit für mich bräuchte, um zu meiner guten Laune zurückzufinden, doch ich traue mich nicht, das offen auszusprechen. Stattdessen deute ich nur vorsichtig an, dass ich es liebe, allein zu laufen und hoffe, dass Joachim zwischen den Zeilen lesen kann.
Mein Telefon reißt mich aus weiteren Andeutungen. Eine unbekannte Nummer, bei der es sich, wie ich richtig vermute, um meine heutigen Gastgeber aus Altendorf handelt. Am anderen Ende ist Herr Prescher, der mich kurz informieren möchte, dass er am frühen Nachmittag mit seiner Frau zum Arzt müsse und erst gegen 16 Uhr zurück sei. Sollte ich früher da sein, wäre das aber kein Problem. Er würde den Schlüssel einfach hinter dem Haus in den niederländischen Holzschuhen verstecken, dann wäre ich unabhängig.
Ich muss ihn später unbedingt fragen, woher die Nähe zu den Niederlanden kommt. Die typisch holländischen Klompen (so heißen die Holzschuhe) sind das eine Indiz, ich meine mich zu erinnern, dass die Webseite der Pension auf Deutsch und Niederländisch ist. Überzeugt, dass nun ja nichts mehr schiefgehen könne, frühstücke ich zu Ende und hole meine Sachen. Um viertel vor zehn brechen wir auf.
Malerweg-Klassentreffen
Bis zum ersten Highlight abseits des Weges ist es nicht weit. Wir traben leichtfüßig den Waldweg hinab, den wir gestern erklommen haben und werden kurvig über einen Weg geführt, den Tannennadeln puffern. Ich liebe solche Pfade. Das Gefühl beim Laufen ist wie auf Wolken, absolut herrlich. Begleitet werden wir von wunderbaren Lichtspielen, weil die Sonne sich inzwischen immer wieder erfolgreich durch die Wolken kämpft. Die Schattierungen und die unterschiedlichen Lichteinfälle sind ein Vergnügen für die Augen.
Wir laufen auf ein Damenquartett auf, das ich gestern kurz hinter dem Steinernen Tisch angetroffen habe. Sie stehen mitten auf dem Weg und beraten sich mit dem Typen mit Kamera und Mütze, der gestern neben mir auf dem Aussichtspunkt vor der Basteibrücke stand, nachdem die Inder verschwunden waren. Neben ihm steht seine schwangere Freundin. Die Damen sind der festen Überzeugung, dass sie auf dem falschen Weg seien. Die Markierung, neben der wir stehen, weise auf einen Klettersteig hin und das wäre nichts für sie. Joachims Wanderkarte scheint stärker zu wiegen als sämtliche Ausführungen des jungen Manns. Er kann sie davon überzeugen, dass das hier der ordnungsgemäße Malerweg sei.
Mein Laufpartner und ich hatten gestern bereits über genau diese Frauentruppe gesprochen. Er hatte sie am Steinernen Tisch sitzend vorgefunden, bei mir waren sie knapp 100 Meter dahinter. Das gab uns ein ungefähres Gefühl davon, wie viel Vorsprung Joachim gestern hatte. Angesichts der Tatsache, dass wir heute in nicht mal 15 Minuten lauter Bekannte von gestern sehen, muss ich grinsen. Es scheint ganz so, als würde der Malerweg tatsächlich als Mehrtagestour gelaufen. Damit wäre er der erste, deutsche Weg, bei dem mir das so ergeht. An Rhein, Mosel und im Harz hatte ich ja immer das Gefühl, die einzige zu sein, die mehrere Tage laufe. Umso mehr gefällt mir die Idee des Klassentreffens auf dem Malerweg.
Gar nicht grottig
Plaudernd erreichen wir eine Viertelstunde nach Aufbruch den Wegweiser, der uns zur riesigen Gautschgrotte führt. Keine Frage, dass wir uns dieses Schmankerl abseits des Weges nicht entgehen lassen. Uns erwartet eine imposante Grotte, in der man sich schlagartig ganz schön klein vorkommt. Kein Wunder, sie wird von einer ca. 18 Meter hohen Wand eingerahmt.
Ich freue mich sehr, dass ich Joachim dabei habe, der auf meinen Rucksack aufpasst, während ich die Steine hochklettere um auf den Vorsprung zu gelangen. Joachim schießt derweil Fotos von mir, wie ich auf den Steinen herumturne. Es ist wirklich beeindruckend, zumal wir die Kulisse in den ersten Minuten ganz für uns alleine haben.
Das ändert sich schnell, als das Damenquartett und das schwangere Pärchen auftauchen. Wenig später finden auch noch der großgewachsene Typ mit Riesenrucksack und seine Freundin, die gar nichts trägt, her. Auch diese beiden sind mir gestern bereits begegnet. Klassentreffen, sag ich ja.
Als wir unseren Weg fortsetzen, lasse ich mich hinter Joachim zurückfallen und schaue mich nach einer Stelle um, die mir Sichtschutz bietet. Ich muss mal. Das ist ganz sicher einer der größten Vorteile der Sächsischen Schweiz: ausreichend Felsen, die in der Gegend herumstehen und perfekte Pipiorte abgeben, gibt es alle Nase lang. Kaum habe ich meine Position eingenommen, höre ich Leute kommen. Na super, denke ich, während ich mich hinter meinem Stein klein mache. Doch die Wanderer sehen mich Gott sei Dank nicht, während ich das Duo als das kräftige Vater-Sohn-Gespann vom steinernen Tisch von gestern identifiziere.
Ich scheine übrigens nicht die Erste zu sein, die sich hier niederlässt, wie die unsägliche Ansammlung von Taschentüchern auf dem Waldboden bezeugt. Über so etwas kann ich mich ärgern. Vermutlich denken die Leute, dass sich das Papier in der Natur in Luft auflöst. De facto dauert es aber drei bis sechs Monate, bis es zersetzt ist, von den Chemikalien, die je nach Sorte in den Boden abgegeben werden, mal ganz zu schweigen. Für so etwas habe ich inzwischen immer eine kleine Plastiktüte dabei, nur mal so als Idee zum Nachmachen. (Jens vom Hiking Blog hat einen super Artikel dazu geschrieben.)
Krachendes Panorama an der Brand
Dermaßen erleichtert kehre ich beschwingt auf den Weg zurück und setze ihn vorerst alleine fort. Der Geruch des Waldes, das Lichtspiel und die Tannennadeln unter den Füßen lassen meine morgens noch vermisste, gute Wanderlaune endlich zurückkehren. Wie ich es liebe, alleine durch den Forst zu flitzen!
Nicht lange, da habe ich Vater und Sohn eingeholt. Die beiden haben den Abstecher zur Grotte ausgelassen, weil sie mit ihren Kräften haushalten müssten, wie sie mir erzählen. Der Weg habe es auch so in sich und heute würden uns ja noch einige Treppenstufen erwarten.
Zuerst erwartet mich aber eine Aussicht vom Allerfeinsten. Inzwischen wieder einträchtig Seite an Seite mit Joachim erreiche ich die Brandaussicht. Der sogenannte „Balkon der Sächsischen Schweiz“ bietet neben seinem wundervollen Panoramablick ins Polenztal und auf die Tafelberge an diesem Morgen noch eine ganz besondere Überraschung. Auf den Bänken in der Sonne sitzt die 8a, meine ganz besonderen Freunde von gestern Nacht, und macht mal wieder ordentlich Krach.
Um dem Lärm vorerst zu entkommen, frage ich Joachim, ob auch er einen Kaffee möchte und hole diesen im angeschlossenen Gasthaus. Drinnen ist es warm und gemütlich, die Getränke für draußen gibt es per Selbstbedienung. Ich ordere meine beiden Milchkaffees und werde skeptisch, als ich der Bedienung beim Milchschäumen zuhöre. Mit gut zehn Jahren Kellnererfahrung in den Knochen weiß ich, dass der gerade erklingende, pfeifende Ton ein untrügliches Indiz dafür ist, dass die Milch kocht. Die Dame stört es nicht weiter. Sie gießt das heiße Weiß ganz ohne Schaum randvoll in die beiden Tassen und kassiert den Touri-Preis von acht Euro.
Ich gebe mir wahrlich Mühe beim Balancieren, doch bereits nach wenigen Schritten befindet sich auf jeder Untertasse Kaffee. Die schlechte Laune räuspert sich vernehmlich, Grumpy Cat springt zurück auf meine Schulter. Joachims Frage, ob da Zucker drin sei, die ich verneine, gefolgt von seinem enttäuschten Gesicht, macht es nicht besser. Was ist nur heute mit mir los?
Mein Frust legt sich dann aber schnell wieder. Die Schulklasse zieht von dannen, wir ergattern einen Platz in der Sonne und die nächste Viertelstunde bin ich vollends mit Genießen und Fotografieren beschäftigt. Es ist traumhaft hier oben.
Joachim kommt ins Gespräch mit einer kurzhaarigen, kompakten Dame, die heute Morgen ebenfalls mit uns in Hohnstein gefrühstückt hat. Sibylle aus dem Ruhrgebiet ist eine begeisterte und erfahrene Weitwanderin, deren nörgelnder Rücken sie leider inzwischen dazu zwingt, ihre Touren zwecks Gepäcktransports über Veranstalter zu buchen. Auch wenn sie die Vorzüge ihres großen Koffers durchaus zu schätzen weiß und sich beim Packen nicht einschränken musste, weint sie der kompletten Flexibilität ein wenig nach. Heute wie auch die nächsten Tage muss sie von den Etappenendpunkten beispielsweise noch per Bus nach Bad Schandau fahren, weil der Veranstalter keine Unterkünfte in den Orten direkt am Weg angeboten hat.
Ein tiefer Grund
Als uns langsam kalt wird, machen wir uns wieder auf den Weg. Es liegt auf der Hand, dass nach einem solchen Ausblick ein Abstieg nicht lange auf sich warten lassen wird und dass dieser, typisch für den Malerweg, über hunderte von Treppenstufen erfolgen wird. Es geht in den Tiefen Grund, und der heißt wahrlich nicht umsonst so.
Der Abstieg ist kein Kinderspiel. Man muss sich konzentrieren, denn die Stufen sind unterschiedlich breit, unterschiedlich tief, mal besser und mal schlechter auszumachen. Ich gehe voran, während Joachim murmelnd hinter mir her läuft. Er hat sich zur Aufgabe gemacht, die Stufen nach unten zu zählen.
Als wir es nach einer Viertelstunde geschafft haben, liegen sagenhafte 856 Stufen hinter uns. Mit leicht wackeligen Beinen machen wir Brotzeit auf einem Stein und schauen einem Bauarbeiter zu, der mit seinem baggerartigen Gefährt riesige Rohrstücke von A nach B transportiert und immer rücksichtsvoll besonders langsam an uns vorbeifährt und uns zunickt.
Aus dem Augenwinkel sehen wir Sibylle in die falsche Richtung laufen und rufen ihr hinterher. Sie gesellt sich zu uns. Ihr GPS-System spiele verrückt und springe immer wieder hin und her, es habe gerade darauf bestanden, dass sie dort entlang laufen solle. Zu Dritt gleichen wir noch mal unser Kartenmaterial ab. Meine App gewinnt und wenig später entdecken wir eine Markierung, die den rechten Weg bestätigt.
Abhängen an Abhängen
Aus der Wegbeschreibung wissen wir alle bereits, dass auf den Abstieg ein stufenreicher Aufstieg folgen wird. Ich persönlich weiß, dass ich mich auf diesem Stück frei laufen werde. So sehr ich Joachims Gesellschaft schätze, so sehr brauche ich auch die Einsamkeit, die mir hilft, den Weg in seiner Gänze einzuatmen. Ich habe registriert, dass ich heute lange nicht so viel vom Weg mitbekommen habe wie sonst und auch das Tempo ist für uns beide nicht optimal. Ich laufe deutlich langsamer, während Joachim deutlich flotter läuft, als er es ohne mich tun würde.
„Du bist zu schnell für einen alten Mann“, hat er heute ein paar Mal augenzwinkernd gesagt, wenn ich das Tempo in Richtung meiner Wohfühl-Laufgeschwindigkeit bewegt habe. Das hat ihn natürlich nicht davon abgehalten, alles daran zu setzen, um mit mir Schritt zu halten. Vermutlich meldet sich da der Kampfgeist des Leichtathleten zu Wort, der sein Rennen nicht verlieren will. Und so informiere Joachim, dass ich den Aufstieg in meinem Tempo gehen muss und wir uns später sicher wiedersehen und flitze von dannen.
Diesmal bin ich es, die die Stufen zählt und die nach 654 selbiger und einem letzten steilen, geteerten Stück keuchend die kleine Bushaltestelle von Waitzdorf erreicht. Mit rotem Kopf lasse ich mich dort, gleich gegenüber einer Wiese mit Kühen und süßen Kälbchen, nieder. Eine Belohnungszigarette später schaue ich mich vergeblich nach Joachim um, doch von dem 77-jährigen fehlt bislang jede Spur.
Angeschwitzt wie ich bin, will ich nicht länger als nötig hier verweilen und setze meinen Weg fort. Wir werden uns schon wiederfinden. Der Malerweg ist ja, was das angeht, eine Einbahnstraße und spätestens beim Abendessen in Altendorf werden sich unsere Wege kreuzen. Allerdings beunruhigt mich, dass laut Google das einzige Gasthaus im Ort dienstags Ruhetag haben soll. Schauen wir mal, ob das stimmt.
Beschwingt laufe ich allein durch den anschließenden Wald und überhole zum wiederholten Mal heute ein Mutter-Tochter-Gespann, das dem Dialekt zufolge aus dem Rheinland kommt. Die beiden grüßen, sind jedoch nicht wirklich zu einer Unterhaltung aufgelegt. Bald zeigt mir ein Schild den Weg zu einem kleinen Abstecher mit Aussicht. Vor mir breitet sich einmal mehr die Landschaft aus, eingerahmt von breiten Steinen, die zum Sitzen einladen.
Auf dem Felsen zu meiner Rechten erblicke ich ein Kreuz mit einem gerahmten Foto einer jungen Frau. Stefanie verstarb im Juni 2005, genaueres finde ich nicht heraus. Ich vermute, dass ein Unglück passiert ist und sie in die Tiefe gestürzt ist. Eine kleine Gänsehaut überkommt mich, und ich sehe lieber zu, dass ich von meinem Stein runterkomme.
Aussichtspunkte dieser Art reihen sich nun gefühlt alle fünf Minuten aneinander. Die letzten schenke ich mir, denn die Landschaft verändert sich ja nicht pausenlos. Nur ein Fels, der mich mit seiner Bienenwabenstruktur fasziniert, stoppt mich ein letztes Mal.
Kein Kohl in Kohlmühle
Es folgt der langweiligere Part des heutigen Tages. Mich erwartet der Abstieg durch Wald entlang eines kleinen Baches nach Kohlmühle, wo ich auf eine Einkehrmöglichkeit hoffe.
Ich werde enttäuscht. Kohlmühle ist ein kurioser Ort. An fast jedem Haus befindet sich ein Schild, das das Baujahr ausweist und aufklärt, dass es sich hierbei um schwedischen Sommerhaus-Stil handele. Aha. Mittelpunkt der Ortschaft ist ein ehemaliges Linoleum-Werk, seines Zeichens ein verlassener Riese, der schon bessere Zeiten gesehen hat und auf dessen Gelände man mit Sicherheit einen wundervollen Horrorfilm drehen könnte. Ein Gasthof wäre mir lieber gewesen.
Ich folge nun den Gleisen, an deren Rand die süßlich stinkende Waschmittel-Blume wächst, die mich mit ihrem penetranten Geruch bereits im Harz und am Rheinsteig verfolgt hat. Inzwischen weiß ich, dass es sich um das Drüsige Springkraut, ursprünglich aus Indien stammend und hierzulande auch als Bauernorchidee bekannt, handelt. Das Kraut fühlt sich sichtlich wohl und wuchert wie blöde, sein Duft nur schwer zu ignorieren.
Weiter geht es auf breiteren Wirtschaftswegen durch Wiesenlandschaft. Nach der Geschütztheit des Waldeds hat der Blick in die Weite definitiv auch etwas für sich.
Ein letztes Mal bewältige ich einen Anstieg, dann bin ich oben und stelle völlig verwirrt fest, dass dies bereits Altendorf ist. Damit habe ich nun wirklich nicht gerechnet, denn es ist gerade mal 14:15 Uhr.
Von meinem höher gelegenen Aussichtspunkt schaue ich auf den Weg unter mir und erwarte erneut, jeden Moment Joachims Stock und Hut zu erspähen, aber er scheint ein ganzes Stück hinter mir zu sein.
So suche ich meine Pension auf, die sich gleich um die Ecke des Malerwegs befindet. Auf mein Klingeln hin rührt sich nichts. Wie vereinbart gehe ich einmal ums Haus herum und hoffe, dass mich niemand für einen Einbrecher hält. Die Klompen sind schnell gefunden, allein es fehlt der hinterlegte Schlüssel. So sehr ich mich umschaue, finde ich nichts und rufe schließlich meinen Gastgeber an.
Herr Prescher ist ordentlich verwundert, als ich verkünde, auf seiner Terrasse zu stehen. So früh habe er wahrlich nicht mit mir gerechnet. Ich bin selbst überrascht. Für diese Strecke waren fünf Stunden angesetzt, ich habe inklusive Pausen viereinhalb benötigt. Mein Gastgeber bittet mich, mich zehn Minuten zu gedulden. Er komme so schnell wie möglich nach Hause.
Begrabene Hunde fahren Bus
Ich schaue mich derweil kurz im Ort um. Hier ist der Hund begraben, wenn man von der hochfrequentierten Bushaltestelle Erbgericht Altendorf einmal absieht, in der knapp zehn Wanderer auf ihren Transport nach Bad Schandau warten. Ich kenne niemanden von ihnen und gehe zurück auf die Veranda, wo ich vergeblich versuche, ein windgeschütztes Plätzchen zu finden. Als nach zwanzig Minuten ein rotes Auto mit Vollgas um die Ecke gebogen kommt, habe ich sämtliche Klamotten an. Der Wind ist mal wieder frisch.
Nach einer herzlichen Begrüßung bereitet mich mein Gastgeber auf das Schlimmste vor: ich müsse noch einige Treppen hinauf. Er wisse ja, was ich heute bereits alles an Stufen überwunden hätte. Ich lächle amüsiert, als er mir den Papierschnipsel zeigt, der an meiner Zimmertür hängt und mir die lebensverlängernde Qualität der hiesigen Treppen ausrechnet. Wenn das so ist, muss der Malerweg Quell ewigen Lebens sein.
Wir unterhalten uns noch eine Weile, bevor sich Herr Prescher verabschiedet. Immerhin finde ich in dieser Zeit noch heraus, woher der Bezug zu den Niederlanden kommt. Ein Kind des Ehepaars ist der Liebe wegen dorthin gezogen, offensichtlich mit bleibendem Eindruck bei den Eltern.
Bei meinem Zimmer handelt es sich eigentlich eher um eine kleine Ferienwohnung. Zwei Einzelbetten und ein Tisch, auf dem man mir morgen das Frühstück servieren wird, ein Durchgang mit Zugang zu meiner eigenen Terrasse und ein Badezimmer, in dem es nicht nur Dusche und Waschbecken, sondern auch ein großes Becken gibt, das sich zum Wäschewaschen eignet. Ich bin begeistert.
Meine Befürchtung, dass das hiesige Gasthaus heute geschlossen ist, bestätigt sich leider. Ich könne aber mit der Buslinie 260 in knapp zehn Minuten für 2,40 Euro nach Bad Schandau fahren, die Fahrpläne lägen auf meinem Tisch, tröstet mich mein Gastgeber. Mir wird nichts anderes übrig bleiben, ich muss heute etwas Richtiges essen.
Von Nymphen und Satyrn
Dank der perfekten Vorrichtung im Bad wasche ich erst meine Wäsche und dann mich selbst. Es gibt sogar einen Wäscheständer, den ich anschließend auf den Balkon in die Sonne stelle. Ich lasse mir Zeit, verpasse den Bus um zehn vor vier und fahre einfach eine Stunde später los – 40 Minuten zu Fuß laufen steht heute nicht zur Debatte. Für Bad Schandau bleiben mir somit zweieinhalb Stunden, denn der letzte Bus nach Altendorf fährt um halb acht.
Der Besuch des NationalparkZentrums Sächsische Schweiz entfällt, es schließt sowieso um 18 Uhr, zum Einkaufen und Essen sollte die Zeit hingegen locker reichen. Nach meiner kurzen Fahrt suche ich also zielstrebig den hiesigen Nahkauf auf und besorge Zigaretten und zwei 0,2-Liter-Fläschchen Wein für heute Abend sowie Schokolade und eine Flasche Limonade für morgen. Zucker ist sicher nicht das Schlechteste, wenn man eine der anspruchsvollsten Etappen vor sich hat.
Von Bad Schandau selbst bin ich ein wenig enttäuscht. Der wohlklingende Kurort hat für meinen Geschmack recht wenig zu bieten, richtige Sehenswürdigkeiten scheint es nicht zu geben. Eine Ausnahme bildet der verspielte Brunnen, der sogenannte Sendigbrunnen, mit seiner Nymphe und dem Satyr.
Er steht auf dem Marktplatz, nicht weit von Barthels Restaurant, wo ich wegen der hervorragenden Kritiken gern Essen möchte.
Flotter Dreier zum Essen
Als ich den kleinen Laden betrete, habe ich kein Glück. Ob ich reserviert habe, will man wissen. Habe ich natürlich nicht und so muss ich unverrichteter Dinge wieder gehen. Ich navigiere, Google Rezensionen vor Augen, weiter durch die Kleine Kirchstraße, in der es verschiedene Restaurants gibt. Meine Wahl fällt auf „Zur Schlossbastei“. Auch dieses Lokal ist brechend voll.
Ob ich reserviert hätte, will der Herr hinter der Theke wissen. Ich fühle mich wie bei der Hase und der Igel und seufze, während ich verneine. Daraufhin seufzt der Herr, dass es dann ganz schlecht aussähe. Ich wiederum sehe mich schon mit leerem Magen gen Altendorf abfahren, und schaue ihn an wie Bambi, unter Einsatz der größten, traurigsten Augen, die ich auf Lager habe. Ich muss mich zusammenreißen, um nicht leise mit Kinderstimme „Hunger!“ zu wimmern.
Ganz erwachsen frage ich stattdessen, ob ich warten dürfe und was er glaube, wie lange das dauern werde. Warten sei kein Problem, erwidert der Mann mit der Schürze, in zehn Minuten sollte ein Tisch frei sein. Leicht verwundert über diesen Spagat zwischen „es sieht ganz schlecht aus“ und „in zehn Minuten wird was frei“ begebe ich mich auf die Straße und rauche. Verwundert registriere ich den Nieselregen, der auf mich herunterstäubt. Ich hoffe sehr, dass der sich auf Bad Schandau beschränkt, sonst ist es um meine Wäsche in Altendorf übel bestellt.
Derweil betritt ein Paar meines Alters den Gastraum, erblickt freudig den inzwischen freien Tisch und wird umgehend des Tisches verwiesen. Der sei reserviert, sagt der Kellner und schaut zu mir nach draußen. Ich fange das Paar vor der Tür ab und biete ihnen an, sich zu mir zu setzen, der Tisch sei groß genug. Es ist eine klare Win-Win-Win-Situation: Die beiden freuen sich über den unerwarteten Platz, ich muss nicht alleine essen und der Kellner kann gar nicht glauben, dass er doppelt kassieren wird.
Silvia und Mario aus Brandenburg machen genau wie ich Urlaub in der Region, erzählen sie, während wir auf unser Essen warten. Anders als ich fahren sie aber ein wenig mit dem Auto herum. Rückenprobleme erlauben es den beiden nicht, länger zu laufen. Umso begeisterter hören sie zu, als ich von den letzten drei Tagen erzähle und ihnen Bilder zeige. Beim Bericht über die unruhige Nacht auf Burg Hohnstein brechen sie in lautes Gelächter aus. Sie waren selbst als Schüler der achten Klasse dort auf Schulfreizeit, lange bevor aus ihnen ein Paar wurde.
Dann kommt das Essen. Mein Schnitzel Kirnitzschtal, eine mit Champignons und Käse überbackene, allerliebste Schweinerei, schmeckt ganz hervorragend, genauso wie das dazu gereichte Dunkelbier. Als ich aufgegessen habe, bietet mein Magen leider keinen Zentimeter Platz mehr. Wirklich schade, denn zu gern hätte ich das mir gänzlich unbekannte, empfohlene Dessert Quarkkeulchen mit Apfelmus gekostet. Stattdessen gehe ich zügig zurück zur Bushaltestelle an der Elbe und erwische den vorletzten Bus nach Altendorf. Inzwischen regnet es Bindfäden und mir schwant nicht Gutes, was meine Wäsche anbelangt.
Ein Haufen Regenkleidung
Zurück in Altendorf ist meine Begeisterung grenzenlos. Hier hat es offenbar nicht nur geregnet sondern auch gestürmt. Mein Wäscheständer ist umgekippt. Auf den leicht moosigen Holzplatten der Veranda liegt ein Haufen Kleidung im Regen. Meine Sachen sind nasser als beim Verlassen des Hauses.
Schicksalsergeben hebe ich alles auf, wringe es erneut in Handtüchern aus und stelle den Ständer zum Trocknen in meinen Wohnraum. Kurz schiele ich noch auf den bereitstehenden Trockner, habe dann aber Hemmungen, ihn ungefragt zu benutzen. Ich werde die Nacht abwarten. Sollten die Sachen dann nicht trocken sein, kann ich beim Frühstück immer noch fragen, ob ich das Gerät anschalten darf.
Meine Gedanken wandern noch einmal zu Joachim. Was er wohl am Nachmittag und Abend macht und wo er wohl gegessen hat? Ich war mir absolut sicher, dass wir uns wiedersehen, als ich mich am Aufstieg in Bewegung setzte. Morgen ist bereits sein letzter Tag. Er will bis zu den Wasserfällen in Lichtenhain, hat er mir erzählt. Wäre doch gelacht, wenn ich ihn bis dahin nicht wieder aufsammle.
Der Abend klingt mit meinem Rotwein aus dem Bad Schandauer Nahkauf, meinem Tagebuch und ein paar Telefonaten aus. Morgen erwartet mich mit dem Ritt über die Schrammsteine und Affensteine die wohl anspruchsvollste und mit 17,6 Kilometer längste Etappe, Klettern inklusive.
Ich hoffe inständig, dass der Regen bald aufhört, denn nass klettert es sich nicht so gut. Offiziell benötigt man dafür sieben Stunden, so dass ich nach meiner heutigen und gestrigen Erfahrung vermute, schneller am Ziel zu sein. Sicherheitshalber möchte ich dennoch früh los und habe mein Frühstück für halb acht bestellt. Sicher ist sicher.
Kommentare und Feedback
Der heutige Tage hat mir wieder einmal bewiesen, dass ich beim Wandern am liebsten Einzelgänger bin, während ich mich abends über Gesellschaft freue. Was ich am alleine Laufen mag? Dass ich mein Tempo gehen kann, mich voll auf die Natur um mich herum konzentrieren und ohne Absprache anhalten, pausieren, bewundern und fotografieren kann. Ist das für dich nachvollziehbar oder tickst du da ganz anders?
Erlebst du den Malerweg gerade durch meinen Text zum ersten Mal oder bist du ihn selbst gelaufen und kennst diese Etappe? Was hast du erlebt? Ich freue mich wie immer über Kommentare, Ergänzungen oder Fragen.
Willst du wissen, wie ich mir den Malerweg eingeteilt habe oder kurz abklopfen, was du sonst noch über die Wanderung wissen solltest? Hier kommst du zum Übersichtsartikel.
Zeitreise:
Vorwärts: Nun fragst du dich, wie es auf dem Malerweg weitergeht? Dann hier entlang zur Traumetappe 4, von Altendorf nach Neumannmühle, die auf einem schmalen Grat, mit dem Hintern voran Kalinka singend, vorbei an einer klammen Klamm, Schrammen und Affen, Nadeln und Bindfäden zum größten Kuhstall und Henry Maskes letztem Kampf führt.
Rückwärts: Du fragst dich, woher ich Joachim kenne und willst wissen, was ich sonst noch am Vortag erlebt habe? Dann geht es hier entlang zum wundervollen „Brückentag“, Etappe 2 von Wehlen nach Hohnstein, wo dich neben der Bastei noch Künstlerbräute, Burgfräuleins, royale Picknicktische und Schneckenrennen erwarten.
Sekundärliteratur
Über den Malerweg gibt es noch viel Lesens- und Sehenswertes zu entdecken, das ich an dieser Stelle immer gerne mit euch teile.
Zum Thema Sehenswert kann ich euch Marlenes Video ans Herz legen – ich beneide sie wirklich um diesen Wahnsinns-Sonnenaufgang an der Bastei und auch sonst habe ich eine Menge wiedererkannt, wovon ich euch in den nächsten Wochen erzählen werde. So erfahrt ihr zum Beispiel schon mal vorab, was sich genau hinter dem Kuhstall verbirgt.
Einen Blick auf die Bastei, diesmal bei strahlendem Wetter und mit Herbstfarben, findet man zusammen mit einem unterhaltsamen Artikel auch bei Elisa von Take an Advanture.
Ich ersehne den Tag, an dem ich auch wieder wandern kann 😊
Das ist ja in ein paar Wochen soweit! Und dann nehme ich dich mit 😉
„Die Schulklasse auf meiner Etage der Jugendherberge in Hohnstein hat mir gestern Abend noch lange Freude bereitet.“
Hah, hah – bei der telefonischen Buchung wurde mehrfach erwähnt, dass „wir da aber drei Klassen da haben“. Dann hatte ich es kapiert und im Hotelteil des Objektes reserviert;-)
Unterkunft und Preis dort waren tip top! An den Abend mit den Unionfans werde ich mich noch lange erinnern ….
Ich sehe schon – mein Fehler war die Buchung via Booking. Da konnte mich niemand warnen 🙂
Ansonsten fand ich Preis-Leistung auch überragend. Ich hätte nur eben sehr viel lieber auf den Komfort meines eigenen Zimmers verzichtet und mit halbwegs in Ruhe das Zimmer mit den Stockbetten geteilt 🙃
Hallo Audry,
bei JH gehört das irgendwie dazu, da ratze ich auch ohne Ohrstöpsel weg. Die 856 Stufe haben mir da deutlich mehr Leid zugefügt. Im Frühjahr bin ich da runter. Das hat schon gezogen. Als ich dann ein paar Stunden später wieder zu Hause war, war nach der Autofahrt das Knie dick und ich bekam zwei Wochen Ruhe verordnet. Blöd „gelaufen“
Liebe Grüße
Frank
Hi Frank,
für Knie-geplagte ist diese Etappe definitiv nicht sonderlich empfehlenswert. Selbst ich verspürte irgendwann ein Mucken im Knie und habe versucht, möglichst beim Abstieg zu variieren und mich möglichst gut mit den Stöcken abzusützen. Dabei bin ich eigentlich recht unempfindlich.
Dafür umso beneidenswerter, dass du zu knallenden Türen und Geschrei schlafen kannst. Die Fähigkeit muss ich noch lernen, hat aber auch mit meiner sonstigen Lebenswirklichkeit nicht viel zu tun.
Anders bei Schnarchen – da bin ich so Camino-erfahren, dass ich ohne Ohropax in den Alberguen gar nicht mehr einschlafen kann.
Beste Grüße
Audrey
Hallo liebe Audrey,
mit großem Interesse habe ich deine Wander-Erlebnisse und Eindrücke auf deiner 3.Etappe verfolgt. Nach unserer letzten – gemeinsamen – Rast im Tiefen Grund wurde uns dein hohes – sportliches – Tempo beim Aufstieg nach Waitsdorf leider zum Verhängnis. An diesm Tag kam ich erst gegen 15.15 Uhr recht müde in Altendorf an. Da hattest du offensichtlich schon dein Privatquartier bei deinem Vermieter bezogen – nach deiner Wartezeit auf der Terrasse.
Unsere gemeinsame Wanderin Sibylle aus dem Ruhrgebiet berichtete mir bei einer kurzen Rast ca. 2 km vor Altendorf, wie du beim Anstieg aus dem Tiefen Grund an ihr „vorbeigestürmt“ bist.
Leider waren unsere Übernachtungen in Altendorf kein Gesprächsthema für uns an diesem Vormittag. Da wäre das evtl. besser gelaufen . . .
Meine Übernachtung in der Gaststätte „Heiteren Blick“ lag zwar auch unterm Dach, doch die zahlreichen Treppenstufen waren kein Problem (mein Gepäck wurde von der netten Wirtin hochgetragen). Auf ein Abendessen „außerhalb“ habe ich dankend verzichtet.
Die kleine Hoffnung, dich auf der Tour ins Kirnitzschtal bzw. danach wieder zu treffen, blieb mir.
Da konnte ich noch nicht ahnen, wie hilfreich mir dein GPS-Kontroll-System (App) auf der Tour ins Kirnitzschtal und auch danach gewesen wäre!
Nach dem reichlichen Frühstück mit vielen Gleichgesinnten zog es mich am Mittwochmorgen so gegen 8.45 Uhr mit guter Wanderlaune wieder zurück auf den romantischen Malerweg – voller Optimismus . . . ich hatte diese schwere Tagestour – ca. 7 Stunden – völlig unterschätzt!
Liebe Grüße
Joachim
Lieber Joachim,
das ist wahrlich dumm gelaufen. An solchen Tagen hat ein Handy dann doch durchaus seine Berechtigung 🙂 Damit wäre das nicht passiert.
Ich muss zugeben, dass ich sicher war, dich an deinem letzten Tag zu finden. Ich hatte dich morgens loslaufen sehen (siehe heutiger Beitrag) und bin vermutlich 30-45 Minuten nach dir gestartet.
Aber es ist, wie es ist. Immerhin haben wir (u.a.) auf diesem Wege den Kontakt wieder herstellen können. Und ich gebe dir Recht, das GPS-Kontroll-System, wie du es so schön nennst, hat mir später noch das ein oder andere Mal geholfen. Den Tipp, mir vor Start alle Etappen herunterzuladen, so dass ich auch, wenn es keinen Empfang gäbe, den Weg finden würde, hatte mir ein Leser gegeben. Da ich anders als du wirklich schlecht mit klassischen Wanderkarten umgehen kann, hat mir das so schon mehrfach sehr geholfen.
Und was die Anstrengungen des letzten Tages angehen, kann ich dir nur zustimmen. Tag 4 hatte es wahrlich in sich. Ich war insgesamt 7,5 Stunden auf meiner rückblickend schönsten Etappe unterwegs.
Dir einen schönen 1. Advent,
Audrey
Also für die Pinkelpause brauchst du echt keine Plastiktüte mitnehmen. Ich wandere immer mit drei anderen Mädels und wir lassen unsere Tempos quasi immer an Ort und Stelle fallen – so wie praktisch jede Frau! Das ist auch nicht schlimm, denn a) hockt frau sich ja nicht direkt neben den Weg, sondern hinter irgendeinen Busch /Baum /Stein, wo sonst niemand hinkommt und b) baut sich das Tempo in null komma nix wieder ab. Naturschutz absolut ja, aber das ist übertrieben!
Ansonsten toller Blog und tolles Wandertagebuch 🙂
VG
Caro
Hi Caro,
schön dass dir die Beiträge gefallen und es dich auch immer raus treibt.
Was deine Papier-Handhabe anbelangt, bleibe ich da anderer Meinung. Mit Plastiktüte meinte ich weniger eine Shopping-Tüte als diese kleinen Dinger, in denen man Obst und Gemüse im Supermarkt abpackt. Die wiegen nichts und passen in die Hosentasche. Dass Papier sich in Nullkommanix abbaut, ist leider ein Trugschluss. Das merkt man spätestens, wenn man auf genau die Busch/Baum/Stein-Stellen stößt, wo ganze Tempolandschaften auf einen warten. Das finde ich schon rein optisch extrem uncool, auch ganz ohne Naturschutz-Aspekt. Würde sich das Zeug so schnell abbauen, wie du meinst, muss ich auf unglaublich ausgetretenen Pfaden unterwegs sein, wo Horden von Damen immer genau kurz vor mir langgelaufen sind 😉
Da ich das bezweifle, werde ich auch künftig mein kleines Tütchen im Laufe des Tages im Einsatz haben (ich brauche es eh für meine Kippenstummel) und freu mich über jeden, der seinen Kram wieder mitnimmt.
Liebe Grüße,
Audrey
Hi Audrey,
ich glaube, da hat auch einfach jeder andere Ansprüche an sich selbst. Uns Mädels im Freundeskreis stört es halt auch nicht wenn irgendwo Tempos liegen, weil wir an solche Stellen in der Regel nur gehen, um selbst schnell hinzumachen. Alle einsehbaren Stellen sind ja meistens Wischtempofrei 🙂
Mir ist schon klar, dass an so einer Stelle schnell was zusammenkommen kann. Gerade wenn wir zu viert unterwegs sind und Pause machen, sehe ich das ja selbst. Aber Einpacken und Mitnehmen ist auch ein No-Go, da würden mich meine Freundinnen mega schräg anschauen 😂 Wir sind jetzt alle Mitte 20 und wandern seit wir 17/18 sind sehr viel und würden nie Kippen/Plastik/Bonbon- und Schokoriegelpapiere in der freien Natur wegwerfen. Aber bei Tempos muss uns als Mädels das gestattet sein 😉
Viele Grüße und dir weiterhin viele schöne Wanderungen, auch wenn wir bei der Pinkeletikette nicht einer Meinung sind!
VG
Caro
Hallo Audrey,
du machst ja wirklich tolle Wanderungen und speziell dein Bericht über den Harzer Hexensteig ist einfach absolut faszinierend. Den Weg möchte ich auch unbedingt mal wandern.
Darf ich fragen wie du auf die Idee mit dem Tütchen für die Tempos gekommen bist und seit wann du das praktizierst? Ich finde das gerade bei solchen langen Wandertagen wirklich gut – vielleicht probiere ich das im Frühjahr auch mal aus. Was sagen denn deine Wanderkameradinnen wie Julie im Harz dazu – denn ein bisschen ungewohnt ist der Anblick, dass das Tempo vor dem Weitergehen im Beutel verräumt wird, ja schon.
Bei mir bleibt es momentan halt noch ganz klassisch nach dem Pullern irgendwo liegen, aber einen Versuch ist deine Idee auf alle Fälle wert!!!
Liebe Grüße
Jana
Hallo Jana,
ich muss gerade breit grinsen. Das liegt zum einen daran, dass ich die Taschentücher ja/nein-Fragestellung erst vor wenigen Tagen mit Carolin geführt habe (vorher hat das irgendwie niemanden interessiert) und zum anderen daran, dass ich weit entfernt davon bin, hier als leuchtendes Beispiel unterwegs zu sein, das das schon lange entsprechend praktiziert.
Ich war selbst eifriger Laufen-und-dann-Fallenlasser. Mich haben nur irgendwann diese Papiertaschentuch-Kolonien hinter Sträuchern und Steinen so sehr gestört, dass ich dazu nicht noch mein Scherflein beitragen wollte. Es folgte eine schrittweise Entwicklung: erst habe ich statt Tempos kompostierbares Klopapier mitgenommen und dann fiel mir irgendwann ein, dass ich noch dieses Tütchen dabei hatte, in das ich normalerweise meinen Müll packe. Warum nicht auch das Taschentuch oder Klopapier?
Was mir dann übrigens schnell aufgefallen ist, ist die Tatsache, dass es überhaupt nicht groß stinkt (das hätte ich anders erwartet). Außerdem entsorge ich den Inhalt, sobald ich einen Mülleimer finde. Ich trage das nicht alles tagelang mit mir durch die Gegend 🙂
Was Julie dazu sagt, weiß ich nicht. Sie hat das vermutlich gar nicht registriert. Die Tüte war ja eh immer schon in meiner Hosentasche. Und für gewöhnlich laufe ich alleine. Der Hexenstieg war da die Ausnahme.
Es freut mich auf jeden Fall sehr, dass du Spaß beim Lesen hattest. Der Hexenstieg ist wirklich ein Weg mit stellenweise spektakulären Abschnitten (vor allem der letzte Teil). An den Malerweg kommt er allerdings nicht ran. Der wird wohl vorerst mein Favorit bleiben.
Wo auch immer du wanderst, wünsche ich dir viel Freude. Und vielen Dank für deine Nachricht 🙂
Liebe Grüße,
Audrey
Vielen lieben Dank für deine Antwort 🙂
Ohne den Kommentar meiner Vorschreiberin hätte ich die Passage in deinem Eintrag glaube ich gar nicht so wahr genommen. Normalerweise beschäftigt man sich mit so was ja nicht unbedingt, aber ich finde es cool, dass du darüber schreibst.
Ich hätte jetzt auch spontan gedacht, dass das leicht müffelt, aber wenn es das nicht tut, umso besser.
Ja, es hat beides seine Vor- und Nachteile wenn man alleine oder zu zweit wandert. Aber Julie macht auf den Bildern einen sympathischen Eindruck. Wenn man natürlich mit jemand wandert, der / die dann die ganze Wanderwoche mürrisch ist, wäre das eine Katastrophe. Ich habe jetzt schon gemeint, dass du Julie im Lauf der Tour auch zur „Einpackerin“ umerzogen hast.
Ich denke, ich werde beides mal laufen, sowohl den Malerweg als auch den Hexenstieg. Dann brauche ich mich nicht zu entscheiden.
Liebe Grüße
Jana
Das klingt doch nach einer richtig guten Idee! Mach das auf jeden Fall.
Julie ist meine beste Freundin, die ist tatsächlich arg sympathisch. Mit ihr würde ich das auch wieder machen.
Ich laufe ja normalerweise länger als eine Woche und da merke ich dann schon, dass es schwierig ist, jemanden zu finden, der exakt das gleiche Tempo und die gleichen Distanzen machen will. Deswegen starte ich allein. Aber unterwegs trifft man ja immer wieder phasen- bzw. streckenweise andere, zumindest auf den Jakobswegen
🙂 Bist du schon mal allein gelaufen? Kennst du das Gefühl?
Liebe Grüße
Hi, also ich bin den nagelneuen Donauwaldweg mit meiner besten Freundin gewandert.
https://donautal-touren.de/donauwald-wanderweg/
Da sind die Etappen quasi vorgegeben, so dass das kein Problem dargestellt hat und zu keinen Diskussionen geführt hat. Vom Tempo her sind wir auch ganz ähnlich und haben alle 2 Stunden eine kleine Erholungspause eingelegt.
Die Schrecksee-Bergwanderung haben wir auch zusammen gemacht und dann unten im Tal – also nicht im Naturschutzgebiet – im VW Bus meiner Freundin wildgecampt. Die Tagestour ist wunderschön, aber auch sehr anstrengend. Die Farbe des Schrecksees ist einfach der Hammer. Aber ich war am nächsten Tag in der Früh echt so k.o. 😂 Ich habe mich nach dem Aufstehen mal für länger hinter einen dichten Busch setzen müssen und wäre, nachdem alles erledigt war, fast nicht mehr hochgekommen vor lauter Muskelkater 😂 Meine Freundin hatte da eine bessere Kondition!
Den Altmühltalpanoramaweg musste ich alleine laufen, da sie sich kurz vorher einen Kreuzbandriss zugezogen hatte und ich die Tour trotzdem machen wollte. Die Tour ist toll, aber ich finde es zu zweit einfach schöner!
Liebe Grüße
Jana