Malerweg Etappe 6: Von Schmilka nach Gohrisch

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Tag 6 auf dem Malerweg von Schmilka nach Gohrisch ist nicht schön, sondern schöna, bietet Fähr Play und Ratsch Bumm Bumm, schickt Caspar David auf Motivsuche, lässt Cher vor Zwergponys auftreten und gewährt mir erst eine Audienz auf dem Papst und dann Würzfleisch und Opa Karl zum Abendessen, bevor ich mir das Bett mit einem Tiescher teile (20. September, 18,5 Kilometer)

 

Die Rolle meines Lebens: Lila Kuh

Wer hätte gedacht, dass ich mit meiner Blauenfleckenlandschaft gut schlafe? Es scheint mir tatsächlich irgendwann gelungen zu sein, eine Position zu finden, in der meine gestrigen Prellungen nicht weiter störten. Nachts bin ich nur aufgewacht, wenn ich mich von einer auf die andere Seite gedreht habe, aber auch dann bin ich gleich wieder eingeschlafen. Der Schlafmangel des Vortages tat offensichtlich sein Übriges.

Nach einigen Aus und Ohs beim Versuch aus dem Bett zu kommen, geht es mir den Umständen entsprechend gut. Ich husche aus meinem Zimmer und stelle erfreut fest, dass das Gemeinschaftsbad frei ist. Läuft bei mir, sag ich ja immer. Ein Blick in den Spiegel dort bestätigt meine Befürchtungen: sollte Milka einen Engpass haben, so könnte ich ganz fantastisch als Testimonial einspringen und in die Paraderolle als lila Kuh schlüpfen. Es glitzert und funkelt in rot-blau-violett-Tönen von beiden Armen, während der Rücken bereits leicht verschorft ist.

Bis der Tisch zusammenbricht

Vorsichtig klettere ich die steile Treppe hinunter. Im Frühstücksraum ist noch niemand, und der Tisch bricht unter den vielen Leckereien beinahe zusammen. Er ist pickepacke voll mit Brot, Brötchen, Käse, Wurst, Guacamole, Hummus, Eiern, Joghurt, Aufstrichen, Marmelade, Obst – das ist das mit Abstand tollste Frühstück des gesamten Weges. Ich angle mir vorerst nur eine Tasse Kaffee und verschwinde zu meinem Morgenritual vor die Tür. Es ist acht Uhr. Schmilka ist um diese Zeit menschenleer.

Als ich wieder nach drinnen gehe, sitzen Daniel und Katharina am Tisch und strahlen angesichts unseres Festmahls. Eine nette Dame huscht fürsorglich um den Tisch. Auch sie ist vertretungsweise eingesprungen, um den plötzlichen Krankenhausaufenthalt des Besitzers zu kompensieren. Sie kennt die Gegend hier bestens und erzählt begeistert, was uns heute erwarten wird: Klettereien auf Pfaffenstein und Gohrisch.

Wenig später sind auch Vater und Sohn, mit denen ich das Bad geteilt habe, zur Stelle. Anders als wir laufen sie heute die Tour zum Prebischtor, und ich beneide sie. Diesen Abstecher auf die tschechische Seite muss ich beim nächsten Mal nachholen. Das wusste ich schon, bevor unsere Gastgeberin uns ihre beeindruckend schönen Fotos von dort zeigt.

Fähr-Play

Daniel und Katharina gehen schon mal los, ich würde sie später eh einholen. Ein letztes Mal nehme ich unfallfrei die Selbstmordtreppe hinauf in mein Zimmer unter dem Dach. Wenigstens dieses drohende Unheil habe ich unbeschadet überstanden. Mit Rucksack stehe ich wenig später auf der Straße und laufe die wenigen Meter in Richtung Elbe. Dort liegt Fähre Lena, mit der man nach Vorzeigen der Gästekarte kostenlos auf die andere Seite übersetzen kann.

Fähre Lena fährt Wanderer auf die andere Elbseite, Malerweg Etappe 6, Schmilka Gohrisch
Lena, du hast es oft nicht leicht…

Von Bord winken mir bereits Daniel und Katharina – von wegen Vorsprung. Der Kapitän und seine Begleitung sind trübseligster Laune. Er schaut grimmig, sie raucht Kette, während es in ihren Augen verdächtig glitzert. Später wird mir Sibylle erzählen, dass es bei der Überfahrt heute Morgen eine Kontrolle gab, derentwegen die Dame vom Steuer musste. Erst als der Kapitän kam, konnte Sibylle übersetzen. Keine Ahnung, was da vorgefallen ist, sie tippt auf fehlende Papiere.

Elb-Fähre Lena, Malerweg Etappe 6, Schmilka Gohrisch
Volle Fahrt voraus auf die andere Seite

Es dauert ganze fünf Minuten, bis wir die andere Seite erreicht haben. Der Blick die Elbe hinunter weckt Heimatgefühle. Das nächste Mal, wenn ich in Hamburg am Hafen sitze, werde ich mit Sicherheit daran denken, dass das Wasser bereits seinen Weg durch die sächsische Schweiz hinter sich hat.

Mein Blick fällt auf das alte Grenzgebäude am Ortsausgang von Schmilka. Es sieht in seiner ganzen Tristesse wie der Stein gewordene Vertreter des Eisernen Vorhangs aus. Die ersten Häuser Tschechiens lassen sich ebenfalls vom Wasser aus erspähen. Für mich als Grenzkind ist das ein eher vertrautes Szenario. Ich kann vom Dorf meiner Eltern in wenigen Minuten ein anderes Land betreten, wenn ich die Niederlande auch weniger exotisch finde als Tschechien und unser Zollgebäude nicht ganz so hässlich war.

Bonjour, Tristesse. Blick auf das ehemalige Grenzgebäude

Schön, schöner, Schöna

Auf der anderen Seite der Elbe präsentiert sich Kollege Malerweg von seiner altbekannten Seite: es geht steil hinauf. So ein Fluss gräbt sich halt tief durchs Tal. Die schwangere Katharina tut mir jetzt schon leid, während ich mich stöhnend aufwärts stemme. Meine Beine sind schnell komplett übersäuert. Aus dem Stand ohne ein paar Meter zum Aufwärmen vorweg ist das hier echt harter Tobak.

Aufstieg nach Schöna, Malerweg Etappe 6, von Schmilka nach Gohrisch
Von Stein zu Stein

Erst hat man die Wahl zwischen Steinen oder Matsch, danach geht es in guter Malerweg-Tradition über Treppenstufen weiter. Oben angekommen verbringe ich die nächsten Minuten mit Stretching. Die Säure muss aus den Muskeln raus, sonst schaffe ich es heute nie ans Ziel.

Aufstieg nach Schöna, Malerweg Etappe 6, von Schmilka nach Gohrisch
Stufen und Bäume gilt es zu überwinden

Vor mir erstrecken sich Weideflächen in unterschiedlichen Grüntönen. Ich erinnere mich sehr gut an den Anblick dieser Hochebene von den Schrammsteinen aus. Der sanfte Bogen, den die Elbe nimmt, das saftige Grün der Wiesen. Nun stehe ich mittendrin, zu beiden Seiten je ein Elbsandsteinberg, der aufmerksamkeitsheischend alle Blicke auf sich ziehen will.

Blick auf den Zirkelstein, Malerweg Etappe 6, von Schmilka nach Gohrisch
Blick auf den Zirkelstein

Bei den beiden handelt sich um den Zirkelstein zu meiner Linken und die Kaiserkrone zur Rechten. Ich entscheide mich gegen einen kaiserlichen Abstecher, wissend, dass gegen Ende des heutigen Tages gleich zwei Exemplare von 430 bzw. 450 Metern Höhe auf mich warten.

Vorerst heißt es Strecke machen. Um zehn nach zehn laufe ich in Schöna City ein, wie das Schild in Nachbars Garten verkündet. In meinem Kopf jagt ein schlechter Wortwitz den nächsten. Ist Schöna der sächsische Komparativ von schön? Gab es nicht einen Wettstreit namens „Unser Dorf soll Schöna werden“?

Schön, schöner, Schöna – der Witz hält den ganzen Tag an

Der Malerweg schlängelt sich durch das Dorf, das mit einem Oldtimer-Museum samt zugehöriger Tankstelle aufwarten kann.

Oldtimer Tankstelle Schöna, Malerweg Etappe 6, von Schmilka nach Gohrisch
Oldtimer im Heimatmuseum, die passende Tankstelle gibt es auch

Doch das ist keineswegs die einzige Attraktion, denn ich werde leider ein echtes Happening verpassen: das Kohlrabi-Fest, das am folgenden Freitag ausgerichtet wird. Was feiert man da? Den dicksten Kohl? Die reichste Ernte? Kann man Schnaps aus Kohlrabi brennen? Fragen über Fragen und das so früh am Morgen. Leider ist niemand zu sehen, den ich interviewen könnte.

Richtig was los in Schöna, leider erst nächste Woche

Ratsch bumm bumm

Währenddessen erlaubt sich die Wegführung einen kleinen Scherz und verschaukelt mich ein Ründchen. Denn beim Versuch, die hiesigen (um diese Zeit allerdings allesamt geschlossenen) gastronomischen Etablissements der Reihe nach zu präsentieren, laufe ich in vermutlich völlig unnötigen Umwegen auf der Dorfstraße durch den Ort. Es gäbe mit Sicherheit eine Abkürzung, denke ich, während ich mich an einem Lastwagen, der den Weg versperrt, vorbeizwänge.

Meine überraschende Haupterkenntnis bei der Ortsbegehung: Schöna ist eine Karnevalshochburg. Jeder Briefkasten ächzt unter der Last der Aufkleber, die die Bewohner als amtliche Jecken ausweisen. Ratsch bumm bumm lautet der Wahlspruch des hiesigen Vereins. Im Vergleich dazu kommen Alaaf und Helau geradezu energielos daher.

Ratsch bumm bumm, leef Jecke

Nach einem Bogen vorbei an Feldern zu der einen und hübsch bepflanzten Vorgärten zu der anderen Seite geht es erneut hinab in das Örtchen, diesmal in den Teil Reinhardtsdorf-Schöna, wo der Malerweg in der Nähe eines türkisen Hauses nach links auf einen Schleichweg abbiegt, vorbei an einem gut geschulten, weil laut bellenden Hund.

Caspar David sucht Motive

Vor mir breitet sich Ackerland aus, dahinter zeichnen sich die Schrammsteine ab.  Vor zwei Tagen verlebte ich dort meinen beeindruckendsten Tag. Es ist immer wieder faszinierend, erlaufene Strecke erneut vor Augen geführt zu bekommen, weil es einem eine andere Perspektive für die bewältigte Distanz schenkt. In Erinnerungen versunken lasse ich mich auf einer Bank bei einem kleinen Teich nieder und gönne mir eine erste, kleine Pause. Angeln ist hier übrigens verboten, während ich mich frage, was man in diesem Tümpel denn überhaupt angeln könnte?

Pause vor den Schrammsteinen

Ein herrschaftlich anmutendes Fachwerkhaus am Fuße des Wolfsbergs zieht meine Blicke auf sich. Es handelt sich um das Panorama-Hotel. Der Blick von dort auf die Schrammsteine lohnt sich bestimmt.

Als ich weitergehe, stoße ich auf ein Schild, das mir verrät, dass ich auf dem Caspar David Friedrich Weg stehe. Seine berühmtesten Gemälde sind ebenfalls abgebildet. Einige erkenne ich wieder. Bis zu dem Moment, als ich begann, mich auf den Malerweg vorzubereiten, war mir überhaupt nicht bewusst, dass des Malers „Wanderer über dem Nebelmeer“ auf das Elbsandsteingebirge schaut.

Kurz bevor ich losging, warb die Hamburger Kunsthalle, in der man das Bild bewundern kann, mit genau diesem Motiv auf einer Säule in der Nähe meiner Arbeit.

Kein Wunder, dass der Maler griesgrämig schaut – sein Schild steht an einem eher unspektakulären Wegepunkt

Die Tafel über das Wirken Caspar David Friedrichs wirkt auf diesem Abschnitt des Malerwegs etwas deplatziert, denn der heutige Wiesenspaziergang ist für mich ein eher langweiliges Stück, auf dem ich ziemlich unambitioniert vor mich her latsche. Besagtes Gelatsche wird mir für die ersten vier Stunden des Tages erhalten bleiben. Kein Wunder also, dass der Maler griesgrämig dreinblickt. Stünde er an Ort und Stelle, würde er sich wohl händeringend nach Motiven umschauen.

Bäuerliche Wandmalerei

Kurze Zeit später betrete ich Reinhardtsdorf, begleitet von der Hoffnung auf einen heißen Kaffee und frische Zigaretten, doch die Wanderrast am Dorfborn wird gerade erst aufgeschlossen, so dass ich weiter in Richtung der viel gepriesenen Bauernbarockkirche gehe. Von einem Kippenautomaten fehlt auch in diesem Dorfabschnitt jegliche Spur, so sehr ich auch in die kleinen Gassen spähe.

Ich überquere die Straße und laufe in Richtung weiterer Felder, dann stehe ich auch schon vor dem Gotteshaus aus dem Jahre 1368. Es handelt sich um eine der ältesten Kirchen der Gegend, die innen mit aufwändiger Wandmalerei verziert ist.

Bauernbarock-Kirche in Reinhardtsdorf, Malerweg Etappe 6, von Schmilka nach Gohrisch
Die Kirche von Reinhardtsdorf mit ihrem blauen Türmchen

Vorerst sehe ich gar nichts, denn drinnen ist es stockfinster. Meine Augen müssen sich an die Dunkelheit gewöhnen. Ich nehme auf einer Holzbank Platz und genieße die Ruhe um mich herum. Die Kamera fängt ein, was das Auge noch nicht sehen kann. Die Kirche ist über und über mit Malerei versehen.

Malerei in der Kirche von Reinhardtsdorf, Malerweg Etappe 6, von Schmilka nach Gohrisch
Bauernbarock in seiner schönsten Form

Zwei Emporen, die die Längsseite säumen, erzählen bildlich vom Leben Jesus. Jedes Bild ist eingerahmt, so dass es mich an die Ahnengalerie eines englischen Landschlosses erinnert. Die Decke ist mit Wolken und Sternen, sowie einer mittig platzierten Sonne versehen. Über dem Altar thronen Vater, Sohn und Heiliger Geist.

Deckenmalerei in der Kirche von Reinhardtsdorf, Malerweg Etappe 6, von Schmilka nach Gohrisch
Deckenmalerei

Auf dem Friedhof draußen sind teils üppig verzierte Grabsteine über die Wiese verstreut. Ich kürze ab und verlasse das Kirchengelände durch den Hinterausgang.

Imposanter Grabstein

Chers Zwergponykonzert

Weitere zehn Minuten führt der geteerte Weg an Weideland vorbei. Ich unterhalte mich kurz mit einer Gruppe Pferde, die herrlich gechillt mit Blick auf die Schrammsteine grasen.

Blick auf die Schrammsteine hinter Reinhardtsdorf, Malerweg Etappe 6, von Schmilka nach Gohrisch
„Little Man, la la la“ – schockverliebt ins Zwergpony

Beim Anblick des knuffigen Zwergponys muss ich an die goldige Amazon-Werbung denken, bei der dem Minipferd eine Klappe eingebaut wird, damit es abends ins Haus kann. „Little Man, when you stand by my side then I know I don’t have to hide from anyone“ singt Cher wie in der Werbung nun auch in meinem Kopf. Die Vorstellung, wie die überoperierte Sängerin auf der Wiese steht und dem Pony etwas in einem eng anliegenden Paillettenfummel vorträllert, ist so absurd, dass ich kichernd weitergehe.

Der Malerweg verschwindet mit mir im Wald. Die Sonnenstrahlen zeichnen den Nadelbäumen Heiligenscheine, die es bis auf mein Foto schaffen. Immer, wenn das passiert, muss ich an meine Wanderung auf dem Mosel Camino denken, als ich am ersten Tag vor einem Hochsitz stand, der von allen Seiten umstrahlt wurde. In solchen Momenten kann ich mich immer bestens in unsere Vorfahren hineinversetzen, die göttliche Erscheinungen gemutmaßt haben müssen.

Heiligenschein am oberen Bildrand

Ich setze mich mit der letzten Zigarette, die mir verbliebenen ist, auf ein bemoostes Plätzchen in die Sonnenstrahlen. Leicht verärgert denke ich an die Päckchen Heets, die sich in meinem Rucksack befinden und die ich nicht benutzen kann, weil mein IQOS-Gerät kaputt ist. Der Malerweg macht mich noch unfreiwillig zum Nichtraucher! Ab jetzt stehe ich mit leeren Händen da.

Kult oder Opferstätte

Anders als heute Morgen, als mir der Abstecher zur Kaiserkrone zu mühsam war, lasse ich mich kurz darauf wieder vom Weg treiben. Abzweige zu potenziellen Aussichtspunkten nehme ich begeistert mit. Diesmal überraschen mich Verzierungen in der Felsplatte auf dem Boden vor mir.

Felsplatte in der Nähe von Krippen, Malerweg Etappe 6 Schmilka Gohrisch
Mysteriöse Inschriften auf einer Felsplatte

Beim Blick auf das wachende Auge am oberen Ende und das Rad in der Mitte sowie die vielen Einkerbungen, geht meine Fantasie mit mir durch, und ich wähne mich an einer geheimen Kult- oder Opferstätte der Freimaurer. Was es damit auf sich hat, finde ich auf die Schnelle nicht heraus, aber vielleicht weiß es ja einer von euch?

Vorbei an ersten Fliegenpilzen und einem Baum, der imposant auf einem Stein gewachsen ist, nähere ich mich wieder der Zivilisation, die ich hören kann, bevor ich sie sehe.

Manchmal braucht es nicht viel zum Leben

Am oberen Rand des Dörfchens Krippen verlasse ich den Wald und laufe mit Blick auf die Ortschaft unterhalb von abgestorbenen Nadelhölzern. Ein bayerisches Quartett kommt mir fröhlich grüßend entgegen. So ein Grüß Gott hat in Sachsen ja auch eher Seltenheitswert.

Die Vier sind die ersten Wanderer, die ich heute sehe. Von Katharina und Daniel fehlt jede Spur, obwohl ich bereits verschiedene Pausen gemacht habe. Nur ein jüngerer Wanderer hat mich an der Kirche überholt. Ich frage mich, ob die beiden an mir vorbeigezogen sind, als ich in der Kirche saß?

Malerweg Etappe 6, von Schmilka nach Gohrisch
Auf dem Weg zur Liethenmühle

Die Wegführung entlang des Liethenbachs bringt mich zur Wassermühle, die bereits 1572 urkundlich Erwähnung findet. Das Fachwerkhaus sieht von außen mittelmäßig ansprechend aus. Ich gehe dennoch hinein, weil ich hoffe, mein schwangeres Pärchen aufzuspüren.

Die Rache der Eierschecke

Drinnen bin ich neben einem Paar in den Achtzigern, das gerade zu Mittag isst, der einzige Gast. Es sind gefühlt 35 Grad, und ich würde auf dem Fuße umkehren, wäre die Bedienung nicht so schnell zur Stelle. So ordere ich eine Limonade, um den Zuckerhaushalt aufzufüllen und setze mich kurz hin.

Als die Inhaberin der Liethenmühle mein Getränk bringt, fragt sie, ob ich Lust auf eine Eierschecke hätte. Sie hätte sie heute frisch gebacken. Ich werde in den nächsten Tagen noch häufig an dieses Angebot denken und mich ärgern, es ausgeschlagen zu haben. Obwohl ich total neugierig auf diese Spezialität bin, fehlt mir momentan der Hunger. Zum Einpacken eignet sich das Gebäck mit der schaumigen Schicht nicht, also verzichte ich.

Was ich nicht ahne, ist, dass die Eierschecke ein schreckhaftes, kleines Ding ist, das offensichtlich aufs Tiefste beleidigt ist, wenn man es ausschlägt. In den folgenden Tagen versuche ich mehrfach, in ihren Genuss zu kommen, doch immer ist sie ausverkauft. Erst in Dresden auf dem Weg zum Bahnhof werde ich eine bekommen, die aber garantiert nicht mit dem selbst gebackenen Exemplar mithalten kann, das nun in seiner 35-Grad-Sauna bleibt und sich mit einem „Pfff“ beleidigt abwendet, während ich zusehe, nach draußen an die frische Luft zu kommen.

Gewollte und ungewollte Umwege

Der Malerweg verläuft wenig später direkt über ein Grundstück, das deutlich als Privatgelände gekennzeichnet ist, hinab in Richtung Wald. Ich schaue mich mehrfach suchend um. Mir ist es immer nicht ganz geheuer, über jemandes Privatanwesen zu gehen. Vermutlich war das bereits falsch, denn rückblickend weiß ich nicht, wo genau ich mich verlaufen habe. Als ich aber nach gut zehn Minuten vor einer stark befahrenen Landstraße stehe, an der es nicht weitergeht, ist klar, dass ich falsch bin.

Der heruntergeladene GPS-Tracks bestätigt schnell, dass ich ein gutes Stück vom Malerweg entfernt, irgendwo in der Nähe von Kleinhennersdorf, bin. Autos flitzen vorbei, und die Straße ist so schmal, dass mir die Vorstellung, auf ihr so lange weiterzugehen, bis ich einen Waldweg finde, nicht geheuer ist. Laufe ich hingegen auf ihr in die andere Richtung, bin ich schnell wieder am Malerweg. Und so stiefle ich los und weiche bei jedem entgegenkommenden Auto in den Straßengraben aus. Sicher ist sicher. 25 Minuten hat mich mein kleiner Ausflug gekostet, aber immerhin navigiere ich erfolgreich querfeldein zurück auf den Malerweg.

Um vierzehn Uhr hat die Sonne so viel Kraft, dass ich in der Nähe des Wildgeheges kurzen Prozess mache und in gekürzter Hose und Tanktop weitermarschiere. Derweil sind auch wieder mehr Menschen unterwegs. Zwischen den regulären Spaziergängern entdecke ich vor mir ein Herrenduo, das ebenfalls den ganzen Malerweg läuft und das ich heute nicht zum ersten Mal sehe.

Auf zu den Kleinkleckersdorfer Steinen

Ich halte die Augen nach dem Abzweig zum Kleinhennersdorfer Stein offen. Jörg hat in seinem Blogbeitrag von den dortigen Höhlen geschwärmt und darauf hingewiesen, dass der zweite Zugang einen deutlich kleineren Umweg bedeute. Obwohl es bereits 14:30 Uhr ist und mich noch zwei ordentliche Aufstiege auf die Tafelberge Papststein und Gohrisch erwarten, will ich diesen Abstecher nicht auslassen.

Der Weg ist schnell gefunden. Er geht nach rechts weg und tiefer in den Wald hinein. Auf einer Bank im Sonnenschein entdecke ich ein bekanntest Gesicht. Sibylle aus dem Ruhrgebiet sitzt dort und raucht. Ich freue mich also gleich doppelt über unser Wiedersehen, hocke mich zu ihr und erzähle von meiner Kippennotlage, die Sekunden später behoben ist. Sicherheitshalber drückt mir die Gute gleich mehrere Glimmstengel in die Hand. Ich kann mein Glück mal wieder gar nicht fassen.

Sibylle kommt gerade vom, wie sie ihn nennt, Kleinkleckersdorfer Stein zurück und ermutigt mich, auf jeden Fall weiterzugehen. Es sei wirklich beeindruckend. Ich tue wie mir geheißen und erfreue mich wenig später an zerklüftetem Gestein.

Kleinhennersdorfer Stein, Malerei in der Kirche von Reinhardtsdorf, Malerweg Etappe 6, von Schmilka nach Gohrisch
Die Vorläufer des Kleinhennersdorfer Steins – da verneigt sich sogar die Birke

Es gibt verschiedene Wege, die über das Areal führen. Ich laufe kreuz und quer, klettere ein wenig und genieße einmal mehr mein kleines Schattendasein neben den Kolossen um mich herum. Hoffentlich finde ich nachher den Weg zum Ausgangspunkt zurück.

Kleinhennersdorfer Stein, Malerweg Etappe 6, von Schmilka nach Gohrisch
Als hätten Riesen mit Bauklötzchen gespielt

Erfolgreich frage ich mich zu den Höhlen durch, denn es gibt hier mehrere. Mein Lieblingsexemplar ist so groß, dass man problemlos eine ganze Festgesellschaft darin unterbringen könnte. Ich lasse den Rucksack am Eingang stehen und klettere in die sandige Mitte. Der Blick nach draußen macht es richtig heimelig.

Kleinhennersdorfer Stein, Malerweg Etappe 6, von Schmilka nach Gohrisch
Ganz schön schattig hier

Meine Angst, dass ich Schwierigkeiten haben könnte, den Weg zurück zu finden, erweist sich als unnötig. Jemand hat zur Orientierung gelbe Streifen auf Baumstämme und Felsen gepinselt, so dass ich wohlbehalten aus dem Labyrinth finde.

Kleinhennersdorfer Stein, Malerweg Etappe 6, von Schmilka nach Gohrisch
Verwinkelter Eingang zur Höhle

Audienz auf dem Papst

Um drei bin ich zurück auf meinem Fernwanderweg, wo ich dem Wild kurz beim Herumgammeln in seinem Gehege zuschauen darf. Dann geben mir majestätische Treppenstufen zu verstehen geben, dass ich tatsächlich auf dem Malerweg wandere. Ich habe den Aufstieg zum Papststein erreicht.

Aufstieg zum Papststein, Malerweg Etappe 6, von Schmilka nach Gohrisch
Zwischen den Felsen hindurch geht es hoch auf den Papststein (451m)

Vor mir liegen gut 300 Höhenmeter, bis auf dem Gipfel auf 450 Meter vermutlich wieder ein beeindruckendes Panorama auf mich wartet. Ich freue mich tatsächlich diebisch, endlich wieder auf und ab steigen zu dürfen und komme mit einer Dame ins Gespräch, die gleich hinter mir läuft. Sie ist Lehrerin in Magdeburg und nutzt das Wochenende, um in ihrer geliebten Sächsischen Schweiz wandern zu können. Sogar ihren Geburtstag im Winter hat sie hier verbracht, erzählt sie mir.

Ein großer Stein lädt zum Verweilen ein, und so klettere ich hinauf und genieße den Ausblick. Neben uns hält eine rotwangige Frauenvierergruppe und erkundigt sich nach unserem Ziel. Sie mahnen zur Eile. Der Gohrisch habe es richtig in sich, versprechen sie, der würde Zeit kosten, weil er so anstrengend sei. Ich sehe da jetzt ehrlich gesagt kein Problem. Es wird momentan erst gegen halb sieben dunkel, das sind noch drei Stunden. Bis dahin werde ich alle Male die beiden Tafelberge rauf und wieder runter sein, zumal danach für mich nicht mehr allzu viel kommt, da ich in Gohrisch übernachte. Aber gut, es hat eben jeder sein eigenes Tempo.

Endlich mal wieder auf einem Stein sitzen und die Landschaft genießen

In Begleitung meiner Bekanntschaft erreiche ich eine Viertelstunde später die Spitze des Papststeins. Die Terrasse der hiesigen Berggaststätte ist fest in der Hand einer tschechischen Frauengruppe. Die Magdeburgerin kehrt ein, während es mir zu turbulent ist, um hier Pause zu machen. Aussicht genieße ich am liebsten in Stille, das habe ich schon bei der Brand Aussicht an Tag Drei gemerkt, als mich die Schulklasse störte.

Somit erklimme ich lieber die letzten Meter zum Feuerwachturm, der für die Öffentlichkeit nicht zugänglich ist und begutachte den Lastenaufzug, der für die Gaststätte sicherlich ein Segen ist. Auf der steinernen Erhebung wenige Meter vor mir blinken die Helme von Kletterern.

Blick vom Papststein auf den Gohrisch, Malerweg Etappe 6
Blick vom Papststein. Vor mir die Kletterer, rechts mein nächstes Ziel, der Gohrisch.

Ich bin immer wieder schwer beeindruckt von der Schwindelfreiheit dieser Leute. Auch wenn ich überraschend problemlos den Malerweg laufen konnte, wäre eine Besteigung der Steinriesen von außen, nur mit einem Seil gesichert, definitiv nichts für mich.

Optisch nur einen Steinwurf entfernt liegt zur Rechten der Gohrisch Stein, von dem mich de facto aber noch eine halbe Stunde trennt. Es gilt erst Hinab und dann wieder Hinauf zu klettern. Bis es soweit ist, stromere ich noch ein wenig über das Plateau und genieße weitere Aussichten.

Von einem spitzen Ausläufer, der mit einem Geländer gesichert ist, hat man einen besonders schönen, vor allem aber freien Blick in die Weite und auf den Lilienstein im Vordergrund und die Festung Königstein weiter links. Dass ich mal gut gelaunt, ohne mich krampfhaft am Geländer festzuhalten und gegen Wackelknie zu kämpfen, hier stehen würde, hätte ich vor zwei Wochen auch nicht erwartet.

Blick vom Papststein auf den Lilienstein, Malerweg Etappe 6, von Schmilka nach Gohrisch
Sieht fast aus wie eine Rutsche

Auf Sprossen, die in der Sonne glänzen, führt mich der Weg zwischen den Felswänden abwärts und zurück in den Wald.

Abstieg vom Papststein, Malerweg Etappe 6, von Schmilka nach Gohrisch
Heiter weiter, diesmal runter, bevor es in 20 Minuten wieder hoch geht

Ein Potpourri an Aufstiegschancen

Nach einer Viertelstunde quere ich die Straße und den angrenzenden Wanderparkplatz, dann geht es auch schon wieder hinauf. Der Gohrisch ist mit 431 Metern einen Tick niedriger als sein Kollege, der Papststein, aber auch diese Höhenmeter wollen gemacht werden. Das erste Stückchen Aufstieg meistere ich über Wurzeln und auf schmalen Pfaden.

Aufstieg zum Gohrisch, Malerweg Etappe 6
Über natürliche Stufen geht es wieder hoch

Auf einem Zwischenstück beobachte ich eine beturnschuhte Familie beim Klettern. Während Vater und Sohn erfolgreich weiter oben sind, findet die Mutter mit ihrem Schuhwerk keinen Halt und gibt irgendwann auf. Ich schenke mir diese Kletterpartie, denn ich will ganz nach oben.

Auf dem Weg zum Gohrisch, Malerweg Etappe 6
Nein, das ist noch nicht das Ziel

Nun beginnt der spaßige Teil und das meine ich Ernst, denn die verbleibenden zehn Minuten bis zur Spitze machen mir wirklich Freude. Den Auftakt bilden schmale Stufenpfade zwischen den Felswänden hindurch, bei denen ich das ein oder andere Mal meine Stöcke und den Rucksack verfluche, weil sie mir den Weg nicht gerade erleichtern. Das vorwurfsvolle Ratschen des Rucksacks ist nicht zu überhören, wenn er mal wieder am Sandstein entlang schrammt.

Gohrisch Stein, Malerweg Etappe 6
Auf Stufen geht es durch den Spalt

Es folgen Leitern, die senkrecht nach oben führen. Mir bietet sich wahrlich ein Potpourri an Aufstiegschancen. Steine, Leitern, einzelne Tritte. Alles, was das Herz begehrt.

Gohrisch, Malerweg Etappe 6
Ein Potpourri an Aufstiegschancen

Der Spalt, den die Elbsandsteinformationen lassen, wird immer schmaler. Ich schaffe es gerade so, nicht stecken zu bleiben und bin wirklich froh, dass die anderen Wanderer den Weg nicht in umgekehrter Richtung laufen. Gegenverkehr wäre hier nämlich schlichtweg unmöglich.

Aufstieg zum Gohrisch, Malerweg Etappe 6
Mein Weg wird begleitet vom leichten Schabegeräusch des Rucksacks an den Wänden.

Auf dem letzten Stück gibt ein Eisengeländer zusätzliche Sicherheit auf den ausgetretenen Stufen. Ich hangele mich aufwärts und bin um vier Uhr am Ziel.

Aufstieg zum Gohrisch, Malerweg Etappe 6
Die letzten Meter

Oben schaue ich mir erneut die Augen aus. Was für ein Ausblick! Über einen Mangel an Endorphinausschüttung kann ich mich also auch an diesem Tag nicht beklagen. Der zweite Teil der Etappe durch das Gebiet der Steine, wie man die Gegend hier nennt, ist grandios.

Ein Platz an der Sonne entlohnt mich für alle Mühen. Das junge Pärchen neben mir spricht mich auf den Rucksack an. Die beiden sind aus Dresden hergekommen und haben heute eine kombinierte Wanderung aus Pfaffenstein, Gohrisch und Papststein gemacht. Der Pfaffenstein erwartet mich Morgen. Auch er habe spektakuläre Aussichten im Angebot, verspricht man mir. Wir quatschen über das Wandern und darüber, wie es Menschen verbindet. Die beiden sind häufig hier, können sich aber dennoch nicht satt sehen. Das letzte Mal seien sie bis zum Sonnenuntergang hier geblieben, erzählen sie. Die beiden Dresdner empfehlen mir netterweise noch verschiedene Restaurants in ihrer Heimatstadt, die ich übermorgen besuchen werde, dann verabschieden wir uns.

Dass es hier bei gefärbtem Himmel kaum auszuhalten ist vor kitschiger Wunderschönheit, kann ich mir sehr gut vorstellen. Wer es mit eigenen Augen sehen möchte, dem empfehle ich einen Blick auf die Bilder von Sven zu werfen, der pünktlich zum Sonnenuntergang auf der Gohrischscheibe saß. Leider übersehe ich den Weg zur Scheibe genauso wie den Abstecher zur Schwedenhöhle. Ich sage es ja immer wieder: ich muss noch mal herkommen.

Vor Dresden hat der liebe Gott aber noch den Abstieg gesetzt und der Gohrisch verabschiedet sich standesgemäß von mir, denn nach wenigen Schritten stoße ich auf schmale, in den Fels gelassene Sprossen. Zwar geht es unter oder neben ihnen weder tief hinab, noch sind sie ansatzweise wackelig, trotzdem ertappe ich mich bei einem kleinen Räuspern, bevor ich sie, die linke Hand am Holzgeländer, in Angriff nehme.

Abstieg vom Gohrisch, Malerweg Etappe 6
Ein Gefühl wie auf dem Schwebebalken

Das perfekte Dinner

Die Stufen sind die letzte richtige Herausforderung, der ich mich heute stellen muss. Danach laufe ich im Schatten der steil abfallenden Felswände durch den Wald hinab in Richtung Kurort Gohrisch.

Abstieg vom Gohrisch, Malerweg Etappe 6
Von nun an geht’s bergab

Vorbei an einer Pfadfindergruppe, die hier gerade Abenteuer erlebt, bin ich nach einer Viertelstunde am Waldrand und beobachte ein Paar, das hochkonzentriert jeden Zentimeter des Waldbodens rechts des Weges absucht. Kurz glaube ich, dass sie ihren Ehering suchen oder sonst etwas verloren haben. Doch als sich die Frau triumphierend aufrichtet und etwas Weißes in der Hand hält, realisiere ich, dass sie Pilze sammeln. Steinpilze, um genau zu sein.

Das letzte Stückchen Wald für heute

Stolz zeigen sie mir ihre Ausbeute. Der Plastikbeutel ist bis zur Hälfte gefüllt mit großen und kleinen Pilzen, die sie heute noch zubereiten werden. Mein Vorschlag, dass ich ihnen gern beim Vernichten der Vorräte helfen kann, wird galant überhört.

Als ich den Wald in Richtung der sonnenbeschienenen Felder verlasse, sitzt plötzlich Sibylle vor mir auf einer Bank. Ich habe sie seit dem Kleinhennersdorfer Stein nicht mehr gesehen und komme mir vor wie bei der Hase und der Igel, denn auch dort traf ich sie in gleicher Pose. „Ich dachte, du hättest mich längst eingeholt“, wundert sich auch die Ruhrpott-Lady.

Unsere heutigen Unterkünfte sind nicht weit voneinander entfernt, stellt sich heraus. Meine Mitstreiterin freut sich, dass die Juckelei mit Bus und S-Bahn nach Bad Schandau nach drei Tagen endlich ein Ende hat. Das würde sie so nicht noch einmal buchen, sagt sie, während wir gemeinsam in den letzten Sonnenstrahlen über die Wiese laufen.

Sibylle schlägt vor, heute Abend gemeinsam zu essen, und ich sage bereitwillig zu. Meine Abneigung, alleine zu speisen, habe ich ja hinlänglich beschrieben. Ich werde auch Katharina und Daniel fragen, die in der gleichen Unterkunft sind wie ich und sich sicher ebenfalls gern anschließen werden. „Ach, du meinst das schwangere Paar?“ fragt Sibylle, und ich muss lachen, weil hier einfach jeder jeden kennt.

Für mein Zigarettenproblem hat die Gute ebenfalls eine Lösung parat. Sie habe in ihrem Koffer noch mehrere Päckchen vorrätig. Wenn es im Gasthaus heute Abend keinen Automaten gäbe, könne ich ihr problemlos eine Packung abkaufen. Ich könnte sie knutschen.

Der Tiescher von Gohrisch

Meine Unterkunft, das Fremdenheim Edelweiß, liegt mitten im Ort. Das Wort Fremdenheim klingt seltsam in meinen Ohren und lässt mich eher an Baracken denken, in denen Geflüchtete untergebracht werden, als an eine Pension oder ein Hotel. Meine kleine Internetrecherche zeigt dann auch, dass der Begriff heutzutage aus der Mode gekommen ist und hauptsächlich Karriere in Kreuzworträtseln macht, wenn eine Unterkunft mit elf Buchstaben gesucht wird.

Das Edelweiß ist jedenfalls ein ganz normales Haus, dessen Eingangstür sich auf der Rückseite versteckt, wo auch ein wirklich schöner Garten wartet. Die Inhaberin begrüßt mich aufgeräumt und bester Laune. Wir plaudern kurz, und ich frage sie nach Daniel und Katharina. Nein, die beiden seien noch nicht da, enttäuscht sie mich.

Langsam mache ich mir wirklich Sorgen. Ich habe sie seit Schmilka nicht mehr gesehen, obwohl ich viele Pausen und Abstecher sowie einen halbstündigen Umweg gemacht habe. Hoffentlich sind sie gut durchgekommen. Mehrfach musste ich heute an die schwangere Katharina denken, während ich mich durch Felswände quetschte.

Mein Zimmer ist geräumig mit eigenem Waschbecken und einem Tisch mit vier Stühlen. Das Bett ziert gemusterte Bettwäsche in den ansprechenden Farben Orange, Braun, Gelb und Weiß. In der Ecke befindet sich ein Zustellbett, das zu einem Sessel zusammengeklappt worden ist. Auf ihm wartet das eigentliche Highlight des Raumes, der sagenumwobene Tiescher von Gohrisch, seines Zeichens eine Kuscheldecke, die mir das Blut in den Adern gefrieren lässt. Gibt es wirklich Menschen, denen so etwas gefällt? Nun, über Geschmack lässt sich bekanntermaßen streiten.

Roar… Der Tiescher von Gohrisch

Das Zimmer ist jedenfalls blitzsauber und zudem ist es hier anders als gestern muckelig warm. Auf dem Flur gleich gegenüber befindet sich mein Badezimmer mit Dusche, Waschbecken und Toilette, das ich ganz für mich allein habe. Auch dieses ist super sauber.

Ich bin gerade vom Duschen zurück, als an meine Tür geklopft wird. Davor steht meine Gastgeberin, hinter ihr winken Katharina und Daniel. Sie wollte mir kurz Bescheid geben, dass die beiden da seien, ich hätte so einen besorgten Eindruck gemacht. Ich könnte die Frau umarmen, denn ich bin tatsächlich erleichtert, dass die werdenden Eltern am Ziel sind. Sehr gern schließen sie sich nachher unserer Essenstruppe an, um den Abend gemütlich zu viert ausklingen zu lassen.

Einmal Würzfleisch und Opa Karl, bitte

Mein Versuch, im Gasthof Sennerhütte, in dem Sibylle und ich verabredet sind, einen Tisch zu reservieren, scheitert. Man habe um sieben keinen Tisch für vier Personen. Ich wiederum habe keine Nummer von Sibylle, also gehe ich zusammen mit meinen beiden Mitbewohnern erst einmal trotzdem dorthin. Auf dem Weg schmiedet unser Trio erste Pläne. Wir werden Katharina vorschicken. Sie soll sich möglichst dramatisch den Bauch halten und mit leidender Stimme nach einem Tisch fragen. Da kann doch niemand Nein sagen?

Kaum stehen wir im Lokal, erübrigt sich der Schlachtplan, denn Sibylle sitzt bereits an einem riesigen Tisch vor einem Schwarzbier. Gemeinsam kichern wir über die Speisekarte, die einen besonders familiären Touch hat, denn hier gibt es Gerichte mit persönlicher Note, nämlich Opa Karl und Oma Anna (beides übrigens Schweinsteaks).

Wenn ich mir die Eierschecke schon durch die Lappen habe gehen lassen, versuche ich mich heute zumindest an der lokalen Vorspeise Würzfleisch. Dabei handelt es sich um ein mit Käse überbackenes Schweinfleisch-Ragout, das mit Worcestersauce nachgewürzt wird und ordentlich stopft. Wer danach noch nicht genug hat, kann auch noch ein Schnitzel oder Steak ordern, das mit Würzfleisch und Käse überbacken ist. Holy!

In weiser Voraussicht verspeise ich meine Vorspeise nicht komplett. Dennoch schaffe ich mein Putensteak mit Spinat und Mozzarella anschließend nicht. Dabei habe ich bereits auf die große Version verzichtet (man kann alle Gerichte auch als kleinere Portion ordern, was ich wirklich toll finde). Ich gebe auf, während sich Daniel heldenhaft durch sein überbackenes Schweinerückensteak arbeitet. Sibylle erzählt uns derweil von einer Fernwanderung in Norwegen, wo sie mit Zelt unterwegs war und sich selbst versorgen musste. Da sah das Essen deutlich überschaubarer aus als heute Abend.

Um halb zehn rollen wir nach einem wirklich netten Abend mit vielen Wandergeschichten aus der ganzen Welt aus dem Restaurant und verabschieden uns ins Fresskoma. Ich sinke auf die kuschelige Tigerdecke und krieche nach ein paar Telefonaten müde ins Bett. Morgen geht es auf den Pfaffenstein mit dem Wahrzeichen Barbarine. Außerdem wartet die Festung Königstein.

 

Kommentare und Feedback

Bist du selbst den Malerweg gelaufen? Was hast du auf der heutigen Etappe erlebt? Fandest du den ersten Teil auch ein wenig zäh, oder ging das nur mir so? Und wie anstrengend waren die beiden Tafelberge für dich? Wie immer freue ich mich über deine Kommentare, Ergänzungen, Empfehlungen und Fragen.

Warst du bisher noch nicht in der sächsischen Schweiz und brauchst noch einen Rundumschlag an Informationen zum Malerweg? Dann schau doch mal in meinen Übersichtsartikel, der neben Etappenplanung und Unterkünften auch weitere Tipps für deine Wanderung im Elbsandsteingebirge bereithält.

Zeitreise

Vorwärts: Du bist neugierig, wie die Reise weitergeht? Dann komm mit von Gohrisch nach Königstein zum Glatzen klatschen, aber ohne stilles Örtchen, mit Panorama-Overkill vor Augen und den Beach Boys im Ohr, durch Felsspalt-Einbahnstraßen zur Bar-Ba-Ba, Bar-Ba-Ri-Ne und dem adrenalinlastigsten Foto aller Zeiten.

Rückwärts: Du hast den gestrigen Tag verpasst und wunderst dich, wieso ich mit blauen Flecken gesegnet bin? Dann geh noch mal mit mir von Neumannmühle nach Schmilka durch den Wald voll lauter Bäumen, über gesperrte Brücken zu Sphinx, E.T. und dem kleinsten Felsentor des Weges, bevor es vom aussichtslosen Winterberg zum eisigen Bergfrieden geht, wo Abschied nur ein Wort ist.

Sekundärliteratur

Willst du dir das Stück noch einmal aus anderer Perspektive anschauen? Dann wirf doch mal einen Blick auf die Sonnenuntergangs Bilder von theBackpacker Sven oder auf die Etappe aus Sicht von Jörg von Outdoorsüchtig.

Gohrisch? Geht immer.

Malerweg Etappe 6 – über die Elbe und Tafelberge nach Gohrisch

 

10 Gedanken zu „Malerweg Etappe 6: Von Schmilka nach Gohrisch&8220;

  1. Hallo liebe Audrey!
    Wow, das hast Du wieder super beschrieben. Und naürlich meine Erinnerungen an den Malerweg aufgefrischt. Eine der schönsten Wanderungen, die ich je gemacht habe. Danke auch für die Verlinkung!
    Herzliche Grüße, Jörg vom Wanderblog Outdoorsuechtig

    1. Hallo Jörg,
      freut mich sehr, dass ich noch mal deine Erinnerungen wecken konnte. Deine Berichte waren mir vor dem Wandern ein treuer Begleiter. So war schnell klar, dass ich mich an die angedachte Etappenlänge halte und eben auch den Abstecher zum KH Stein mache und genug Zeit für die Festung Königstein einplane 🙂

      Mal schauen, welchen Weg wir uns als nächstes teilen.

      LG
      Audrey

  2. Nach so einem Post ist das Wortspiel-Sparschwein gut gefüttert 😀 aber gerade deshalb genieße ich es so, deinen Blog zu lesen, immer sehr unterhaltsam. Besonders die Einträge über den Malerweg (und jetzt eben auch diesen) habe ich sehr genossen. Schon allein weil er schon seit langem auf meiner Liste steht, ich es aber noch nie auf die Reihe bekommen habe, den ganzen durchzuziehen. Nicht aus körperlichen Gründen (wobei ich zugeben muss, ich werde alt), einfach zeitlich nicht geschafft. Im Urlaub in Südtirol den Meraner Höhenweg habe ich in Windeseile hinter mir gelassen (war auch sehr prominent auf der Liste), da war ich allerdings ja auch im Urlaub und hatte sonst außer Essen und Schlafen nichts zu tun…

    Sei das wie es wolle, dir sage ich: weiter so!

    LG Jo

    1. Hi Jo,

      ich habe absolut keine Ahnung, wovon du sprichst. Wortspiele? Sowas liegt mir ja gar nicht 😉
      Der Malerweg sollte dringend von deiner Liste runter und in die Tat umgesetzt werden. Es ist wirklich ein toller Weg und eine Woche reicht ja, um ihn zu laufen.
      Der Meraner Höhenweg hingegen ist auf meiner Liste. Romy von Etappenwandern hat da einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Aber wie das so ist mit diesen Listen: Fluch und Segen. Einerseits toll, dass es so viele schöne Wege gibt, andererseits frustrierend, denn wann soll man die alle machen?!
      LG
      Audrey

  3. Hallo Audrey,

    ja der Weg macht in dem Dorf schon ein paar merkwürdige Schleifen. Ich hatte das Gefühl,
    man soll an jedem Laden dran vorbei. Casper ist bestimmt nicht betrunken da durch. Im April schau ich wohl auch mal wieder vorbei. Grüße aus bei Berlin, Frank

    1. Hallo Frank,
      da bin ich beruhigt, dass das nicht nur mir so vorkam, als ob man auf Teufel komm raus an jeder Milchkanne bzw. jedem Bierkrug vorbeigeleitet werden sollte 😉 Wie schön, dass du ihn dir auch noch mal im April gibst. Planst du ausgewählte Etappen oder gleich den ganzen Weg?
      Viele Grüße,
      Audrey

  4. Hallo meine Liebe,. Weisste was ich schicke dir was viel besseres als die Dresdner Eierschecke 🤮 nach Hamburg und zwar eine leckere Freiberger Eierschecke 😍😍😍😋. Dafür benötige ich nur deine Adresse. Liebe Grüße Katharina 😘😘😘

    1. Liebe Katharina,
      Süß von dir, aber ich befürchte, die kommt nicht heil hier an 🤣🤣
      Aber ich komme noch mal wieder und dann esse ich vor Ort! Das ist bestimmt ähnlich wie beim Grappa in Italien. Vor Ort schmeckt immer noch mal deutlich besser. LG Audrey

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