Camino Frances #5: Von Zubiri nach Villava

Etappe 3 auf dem Jakobsweg: Von Tagen, die als letztes ins Völkerball-Team gewählt werden, einer Sambagruppe im Schlafsaal, der Wahl zwischen alten oder neuen Freunden, ersten Wehwehchen, der Geburt des Camino-Tickers, wenig Inspiration, einem Hauch Luxus, dem hohen Gut der Freiheit und meinem persönlichen Rainer Langhans (1. Mai 2016, 17 Kilometer).

Tag drei ist da – wie immer der Party-Pooper unter den Tagen. Wer meine anderen Langstreckenwanderberichte gelesen hat, wird sich erinnern, dass ich das schon mal gesagt habe. Tag drei ist der Tag, mit dem auf dem Schulhof keiner spielen will, der beim Völkerball als letztes ins Team gewählt wird, dessen Eltern einen besonders spektakulären Geburtstag veranstalten müssen, damit überhaupt jemand kommt. Tag drei ist ein kleiner, nörgelnder, mit dem Fuß aufstampfender Quälgeist. Es ist der Tag, an dem dein Körper kapiert, dass es dir ernst ist und nun endlich die Beschwerden artikuliert, die von der Anfangseuphorie erfolgreich verdrängt wurden, der Tag, an dem deine Motivation verschlafen hat und du dich hochquälst, der Tag, an dem dir dein ganzes Wanderunterfangen wie absoluter Irrsinn vorkommt und du dich fragst, ob du eigentlich komplett wahnsinnig bist. Willkommen bei Tag drei. Heute ist es soweit. Es wird umfassend lamentiert.

Wecken mit Gruppenrabatt

Es ist viertel vor sechs. Seit 15 Minuten ist in unserem Schlafsaal die Hölle los. Fünf Leute unterhalten sich lautstark. Ja, richtig geraten, es sind meine brasilianischen Freunde von gestern. Es wird gewühlt, bis der Arzt kommt, Taschenlampe hell leuchtend voraus, gern damit auch noch ein bisschen von links nach rechts quer durch den Raum schwenken. Ich komme mir vor wie in der Disko bei einer Lasershow. Es hat mich schon in Roncesvalles wütend gemacht, dass einige Pilger absolut null Rücksicht auf die anderen nehmen, die noch schlafen. Motto: ich bin wach, was schert mich das restliche Volk?

Was ich zudem absolut nicht verstehe, ist, wie man ernsthaft auf die Idee kommen kann, seine Sachen in knisternden Plastiktüten zu verstauen. Man liest gefühlt in jedem Blog, in dem es um Packlisten geht, dass man System in seinen Rucksack bekommt, indem man Dinge in Behälter tut. In der Regel wird dann zu geräuscharmen Stofftaschen geraten. Hat sich offensichtlich noch nicht bis nach Sao Paolo rumgesprochen. Nachdem ausreichend geknistert und geleuchtet worden ist, gehen die fünf in ihr Gespräch vertieft gemeinsam raus, natürlich nicht ohne zum Abschluss noch mal ordentlich mit der Eingangstür zu knallen. Fehlt eigentlich nur noch, dass einer den Ghettoblaster rausholt und Samba de Janeiro laufen lässt.

Ich starte also bereits mittelschlecht gelaunt in den Tag und bleibe als Dankeschön – natürlich – beim Aufsetzen mit den Haaren im Drahtgitter über mir hängen. Als ich mich um sechs erhebe, spüre ich jeden einzelnen Muskel. Die Beine sind total schwer, schlägt man bei Wikipedia Muskelkater nach, findet man eine Abbildung meines Pos und am allerübelsten ist die Verspannung zwischen meinen Schulterblättern. Ich fühle mich, als sei ich 100 Jahre alt. Wie mag es den anderen gehen? Die sind ja in der Vielzahl nicht Mitte 30 wie ich. Und besser wird es mit zunehmendem Alter sicherlich nicht.

Auf dem Weg zum Waschraum begegne ich Maria, die bereits startklar ist. Ihre Nacht auf dem Boden der Turnhalle war nicht so schlimm wie befürchtet, sagt sie, wobei ich mich frage, ob wir da von einer 3 oder einer 2 auf einer Skala von 1 bis 10 sprechen. Wir tauschen Nummern, weil wir nicht wissen, ob wir uns wiedersehen. Um viertel nach sieben bin auch ich endlich startklar. Dauert ja doch immer länger, als man denkt. Rob ist ebenfalls fertig, und wir machen uns gemeinsam auf den Weg, kommen aber nicht weit. Das Café an der Ecke sieht einfach zu verlockend aus, und so beginnen wir unseren Tag mit einem Pilgerfrühstück: Cafe con leche, O-Saft und Schoko-Croissant. Anschließend sind wir gut genug gestärkt, um den wirklichen Weg anzutreten.

Man kämpft sich so durch

Rob und ich trennen uns schon bald. Ich laufe heute einfach zu schnell für ihn. Bei Nieselregen geht es durch Hügellandschaften. Poncho an, Poncho aus, Rucksack runter, Rucksack rauf. Wie man es macht, macht man es falsch.

Der Weg führt eine Zeit lang an dem hässlichen Gelände einer Magnesitfabrik vorbei, das sich schier endlos zieht. Idylle buchstabiert sich wahrlich anders.

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Zwischendurch kommt die Sonne mal durch. Aber es bleibt dabei – heute gibt es wenig Spektakuläres zu sehen. Ich laufe auf eine Dame mit grauem Zopf und riesigem, tarngrünem Poncho auf. Die kenne ich doch. Es ist Maria, die langsam aber stetig ihren Weg geht. Wir unterhalten uns kurz, bevor ich weitersprinte. Es ist so öde hier, dass ich wenigstens schnell Meter machen möchte. Irgendwie setzt die große Lust am Laufen heute nicht wirklich ein. Dass ich Schmerzen am linken Fuß habe, macht es nicht gerade besser. Neben der Druckstelle aus Porto stimmen nun auch noch mein kleiner Zeh und der Spann des Fußes in das Gejammer mit ein. Aber es nützt alles nichts: Zähne zusammenbeißen und weitermachen heißt die Devise.

Wie schon gestern drängt sich mir auch heute wieder die Ostereier-Assoziation auf, wenn ich die anderen Pilger betrachte, die sich mit ihren bunten Ponchos und Rucksack-Schutzhüllen vor mir durch die Landschaft schlängeln. Nach einem hübschen, waldigen Stück laufe ich eine ganze Weile entlang einer recht ordentlich befahrenen Landstraße. Wie vermisse ich die Pyrenäen mit ihrer Natur.

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Ich höre Musik, um mich zu motivieren. Die Travelling Willburys schieben mich weiter. Auf schmalen Matschwegen balanciere ich vorwärts. Es geht noch einmal kurz aufwärts. Oben angekommen stoße ich auf eine Gruppe Gleichaltriger. Ein Mädchen, Annabell aus Deutschland, kommt auf mich zu. Sie hat mich bereits Donnerstag im Pilgerbüro gesehen und will wissen, wie es mir bisher ergangen ist. Die Gruppe ist wirklich nett und will heute noch bis hinter Pamplona laufen, damit sie dann morgen früh aus der Stadt raus sind. Ob ich mich anschließen möchte.

Gehen oder Bleiben?

Es ist gerade mal kurz vor halb eins, und der nächste Ort ist so gut wie erreicht. Von da sind es noch vier Kilometer bis Pamplona. Das wäre gut zu schaffen, und die Gruppe wirkt mega sympathisch. Ich bin kurz versucht, mich den Leuten meines Alters anzuschließen, die weiter wollen. Aber irgendwie fühlt es sich komisch an, jetzt mit anderen loszuziehen, wissend, dass Rob irgendwo hinter mir ist, und ich ihm das noch nicht mal mitteilen könnte. Meine Solidarität mit meinem Lieblingsniederländer sowie meine müden Knochen entscheiden sich dagegen. Ich lasse die Gruppe laufen.

Ich habe sie nie wieder gesehen. Auch das ist typisch Camino und typisch für unser Leben. Wie wäre mein Weg wohl geworden, wenn ich mit Annabell und ihren Bekannten fortan den Camino gelaufen wäre? Hätte ich die gleichen Erfahrungen gemacht? Ich werde es nie erfahren. In diesem Moment weiß ich nur, dass ich mir unbedingt Pamplona anschauen möchte und dort einen Pausentag einplane. Das würde mit der Gruppe nicht gehen, denn die wollen ja weiter. Ich hingegen habe mich bewusst entschieden, den Weg allein zu gehen, damit ich komplett eigenständig meine Entscheidungen treffen kann. Unter dem Strich fühlt es sich richtig an, diesen Anschluss nicht mitzunehmen, auch wenn wir sicher eine gute Zeit gehabt hätten. Später habe ich viele Geschichten von Leuten gehört und beobachtet, die zwanghaft in einer Gruppe bleiben wollten, aus Angst keinen neuen Anschluss zu finden und die dann stellenweise sogar auf Taxis oder Busse umgestiegen sind, nur um zusammenzubleiben. Das kommt für mich nicht in Frage. Unabhängigkeit ist mein größtes Gut.

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Kaum habe ich Annabell und ihre Leute verabschiedet, taucht Rob auf und freut sich offensichtlich sehr, mich zu sehen. Er hatte erwartet, dass ich ihm heute davonziehe, sagt er. Na, wenn das mal kein Zeichen ist. Rob ist offensichtlich mein Camino-Schatten, und ich bin froh, dass er wieder da ist. Er ist sehr müde, das sehe ich. Seine Muskeln machen ihm heute Probleme, verrät er mir, und er musste ein bisschen Tempo rausnehmen.

Wir nähern uns einer wunderschönen, alten Brücke, an der eine Frau steht, die Flyer für eine Jugendherberge verteilt. Eher unambitioniert greife ich zu, mache dann aber schlagartig große Augen: für € 14,50 bekommt man nicht bloß die Übernachtung mit Frühstück, man erhält auch Ermäßigung im hiesigen Schwimmbad. Ein Blickwechsel zwischen Rob und mir, und alles ist geritzt. Schwimmen ist wohl das Beste, was wir unseren müden Knochen und verspannten Muskeln heute bieten können. Bei der Vorstellung kehren sofort all unsere Lebensgeister zurück. Wen interessiert es schon, dass es erst halb eins ist. Das ist ja hier kein Zufall. Diese Unterkunft hat nur auf uns gewartet. Gesagt, getan, wir bleiben. Vor allem haben wir morgen dann nur einen klitzekleinen vier Kilometer-Weg vor uns (lächerlich), bis wir in Pamplona sind. Ich möchte wahnsinnig gern in der dortigen Casa Paderborn unterkommen, die von deutschen Hospitaleros betrieben wird und großartige Kritiken bekommt. Da schadet es sicher auch nicht, wenn wir früh da sind und uns ein Bett sichern.

Kein Bad im kühlen Nass, aber jede Menge Luxus

In der Jugendherberge angekommen werden unsere freudigen Pilgerfantasien leider radikal zerlegt, als wir nach dem Schwimmbad fragen. Es hat sonntags nämlich leider nur bis 12:30 Uhr auf. Na prima, das hätte uns die Flyer-Frieda draußen ja auch mal stecken können. Egal, wir werden trotzdem bleiben und gehen dann eben gleich morgen früh um acht schwimmen, wenn der Bumms wieder aufmacht. Morgen haben wir ja ausreichend Zeit.

Als wir unser Zimmer sehen, können wir unser Glück kaum fassen. Heute können wir Schlafsack und Kissen im Rucksack lassen. Es gibt tatsächlich saubere, frische Bettwäsche. Oh Luxus der kleinen Dinge. Wir sind begeistert. In unserem Zehnerzimmer sind wir insgesamt zu viert. Neben uns ist noch eine kräftige Dame aus Australien samt Sohn mit von der Partie. Der Sohn wird morgen abreisen, nachdem er seine Mutter erfolgreich über die Pyrenäen und die ersten Tage geschleppt hat. Sie will es bis nach Santiago schaffen, hat aber etwas Schiss, weil sie ab nun auf sich gestellt ist.

Wir begehen unser tägliches Ritual: ankommen, auspacken, duschen und Sachen waschen. Die Klamotten, die ich in Zubiri gewaschen habe, sind immer noch nicht richtig trocken und Papas Hose sieht schon wieder aus, als hätte ich eine Runde Schlammcatchen hinter mir. Der Duschraum lässt mich vor Begeisterung quietschen. Lauter neue Duschen, aus denen ohne Ende warmes Wasser läuft, das noch dazu ordentlich Druck hat. Ich stehe da sicher 20 Minuten und freue mich über den unerwarteten Luxus. Doch damit nicht genug. Auf dem Rückweg komme ich an Waschmaschinen und einem Trockner vorbei. Rob und ich teilen beides und freuen uns wie die Schnitzel. Endlich mal wieder richtig saubere und trockene Sachen. Der Tag nimmt so langsam doch noch eine gute Wendung.

Pizza-Tortilla mit Rosé

Nach so viel Erfolgsgeschichte machen wir uns auf die Suche nach unserem täglichen Lunch und begeben uns in den Ort, der von einer langen Straße beherrscht wird. Hier ist niemand. Geisterstadt. High Noon. Fensterläden zu. Bürgersteige hochgeklappt. Der Spanier in der Navarra meint es ernst mit seiner Siesta.

Nach einigem Suchen finden wir eine Spelunke, die von außen nicht sonderlich vertrauenserweckend aussieht. Sie steht einer klassischen Hamburger Eckkneipe in nichts nach, mit dem Unterschied, dass es hier etwas zu essen gibt. Rob und ich sind weit davon entfernt, große Ansprüche zu stellen. Das wird schon. Und wie so häufig findet man die wahren Schätze eher durch Zufall. Wir haben einen totalen Glücksgriff gelandet. Es gibt eine große Auswahl an Pintxos (so heißen die Tapas hier). Wir verständigen uns durch einfaches Zeigen. Jedes Portiönchen kostet einen Euro. Das gleiche gilt für den Wein. Alles schmeckt super, aber mein absolutes Highlight ist ein Stück Tortilla. Die Variante mit Kartoffeln, die klassische Tortilla España, kennt man ja auch hierzulande. In unserer Bar gibt es diese Omelettes nun ohne Kartoffeln, aber aufeinander geschichtet und gefüllt mit Farmersalat oder ähnlichem. Mein Favorit hat ein Pizza-Topping. Mega lecker. Und auch der Rosé, der hier aus der Navarra stammt, ist klasse. Der hatte sich ja bereits gestern etabliert und soll während unserer gesamten gemeinsamen Zeit „unser“ Getränk werden.

Wie schon die letzten Tage reden wir über Gott und die Welt. Ich erzähle von meinem Wochenende mit meinem Freund in Porto und komme dabei so sehr ins Schwärmen, dass Rob, der anders als ich noch kein Rückflugticket hat, spontan entscheidet, von dort abzureisen und sich diese Stadt noch ein paar Tage anzuschauen. Ich bewundere ihn für seine Spontaneität und dass er einfach machen wird, worauf er Lust hat. Das ist ja auch das, was unsere aktuelle Situation so besonders macht: Jeden Tag aufs Neue zu entscheiden, worauf wir Lust haben, wie weit wir gehen möchten, was wir essen und mit wem. Diese Freiheit ist eines der intensivsten Gefühle unterwegs.

Auf dem Rückweg rufe ich meine Freundin Julie zuhause an. Inzwischen scheint die Sonne konsequent, und meine Laune hat sich gefangen. Es ist total verrückt, mit dem normalen Leben in Deutschland verbunden zu sein und selbst etwas völlig anderes zu erleben. Sie fragt mir Löcher in den Bauch, bittet um Fotos und hört fasziniert zu. Während ich von meinen ersten Abenteuern erzähle, wird mir klar, dass mein selbst auferlegter Kommunikationsbann Blödsinn ist. Ich erlebe so unfassbar viel, dass es eine Schande wäre, das nicht mit meinen Freunden und meiner Familie zu teilen. Die Natur, meine Begegnungen, all diese Eindrücke, die werde ich doch niemals, wenn ich wieder zuhause bin, meinen Freunden beschreiben können (es sei denn, ich schreibe einen Blog, aber bis dahin ist bekanntermaßen noch ein langer Weg)! Ich beschließe, dass damit morgen Schluss ist und ich eine WhatsApp-Gruppe ins Leben rufen werde, die nur von einer Seite bespielt werden darf: von meiner. Alle anderen sollen bitte einfach nur mitlesen, aber mir nicht parallel mitteilen, wie es ihnen so ergeht. Der Camino-Ticker (wie die Gruppe heißen wird) ist geboren. Ich werde ab morgen bis zum heutigen Tag auf jeder Wanderung ein WhatsApp-Tagebuch für meine Lieben führen, und dieses wiederum wird irgendwann Auslöser für diesen Blog sein.

Ich setze mich zum Tagebuchschreiben in das Café, das gleich neben unserer Herberge ist. Neben mir lärmt und lacht eine fünfköpfige Gruppe Spanier. Ich muss grinsen. Einmal mehr wird mir mein Luxus bewusst. Dass ich das alles erleben darf, ist ein echtes Geschenk. Beim Telefonat mit meinem Freund will er wissen, ob ich überhaupt wie gewünscht Zeit für mich habe und runterkommen kann, oder ob es sich nicht eher wie Urlaub anfühle. Ich muss darüber kurz nachdenken. Ich glaube, aktuell ist es irgendwo dazwischen. Für Urlaub ist es definitiv zu anstrengend und zu primitiv, doch die tiefsten Gedanken und Erkenntnisse kamen mir bisher ehrlich gesagt auch noch nicht. Aber mir bleiben ja noch 39 Tage. Wie viel das ist! Wenn ich so weitermache, bin ich eindeutig zu früh in Santiago. Dann muss ich entweder trödeln oder mir einen Alternativplan zurechtlegen. Finistere, das als Ende der Welt bekannte Kap, und Murcia sollten noch drin sein.

Aber wer sagt schon, dass es weiterhin so gut läuft, wie an den ersten Tagen. Meine Füße mucken auch jetzt, nachdem ich schon seit sechs Stunden nicht mehr laufe, noch auf. Wir werden sehen.

Story of my Life

Um 19:30 Uhr kommt Rob zum Abendessen runter. Wir bleiben in dem Café, in dem ich schon die ganze Zeit gesessen habe und stellen uns unser Essen mithilfe des Herbergen-Wifis und Google Translate zusammen. Wo sind die bebilderten Speisekarten aus Zubiri, wenn man sie braucht? Wo ist das Menu del Peregrino? Egal, wir werden auch so satt.

Aus dem Nichts fragt mich Rob auf einmal, ob er mir sein Leben erzählen soll. Ich bin gespannt, was jetzt kommt und nicke begierig. Da dies hier meine und nicht Robs Geschichte ist, möchte ich nicht allzu viele Details verraten. Es sei nur so viel gesagt: Rainer Langhans kann sich warm anziehen. Er ist nicht der einzige mit Kommunenerfahrung. Ich Dorfi bekomme den Mund jedenfalls kaum wieder zu und bin nachhaltig beeindruckt.

Rob lässt den heutigen Tag noch einmal Revue passieren und sagt, er habe wirklich befürchtet, dass er mich heute verliere, weil sein Körper nicht so mitgemacht habe. Wir tauschen sicherheitshalber Telefonnummern, damit wir uns beim nächsten Mal zumindest benachrichtigen können, wenn wir uns aus den Augen verlieren. Und dann verrät mir mein Lieblingsniederländer noch, dass jeder Tag, den wir zusammen laufen, ein Geschenk für ihn sei. Er habe sich nicht vorstellen können, dass wir so lange zusammenbleiben. Ich sei ja viel schneller als er. Als wir nach dem Essen in unser Zimmer schleichen (Australien ist schon down under), freue ich mich tierisch auf meine Nacht mit richtiger Decke und breitem Bett. Wer weiß, wann wir das nächste Mal so viel Luxus und Privatsphäre haben. Ich kuschle mich gemütlich ein und schlafe augenblicklich wie ein Stein.

Wie geht es weiter? Auf jeden Fall mit mehr Fotos. Das angedachte WhatsApp-Projekt Camino-Ticker sorgt dafür, dass ich ab jetzt deutlich mehr fotografiere, um meine Berichte etwas zu veranschaulichen. Vom heutigen Tag gibt es sage und schreibe drei Bilder, von denen eigentlich keins schön genug ist, um hier veröffentlicht zu werden. Aber irgendwas wollte ich euch dann doch da lassen.

Zeitreise

Vorwärts: Du willst wissen, was als nächstes kommt, und ob wir wohlbehalten in Pamplona ankommen? So viel sei gesagt, auch der nächste Tag wartet wieder mit Kuriositäten und viel Kultur (Stichwort Hemingway) auf. Komm doch noch auf ein paar Kilometer mit vn Villava nach Pamplona.

Rückwärts: Du hast meinen Weg in das ausgebuchte Zubiri verpasst und dich gewundert, wieso Maria in einer Turnhalle auf dem Boden genächtigt hat? Das ganze Drama und die schönen Teile des Tages kannst du hier noch mal nachlesen auf der Strecke von Roncesvalles nach Zubiri.

Warst du selbst schon auf dem Jakobsweg unterwegs? Was hast du erlebt? Ist es dir ähnlich ergangen oder war bei dir alles völlig anders? Planst du vielleicht eine ähnliche Reise oder gehörst du eventuell sogar zu den Leuten, die ich unterwegs getroffen habe? Ich freue mich über dein Feedback im Kommentarfeld.

Ich muss das weitersagen

8 Gedanken zu „Camino Frances #5: Von Zubiri nach Villava&8220;

  1. Ich liebe es, jeden Sonntag deinen Bericht zu lesen. Und Rob mag ich auch schon 😀.
    Mal sehen, wir bei mir demnächst der Tag 3 verläuft. Das ist die Etappe, auf der ich am Ende (!) einen 1000m hohen Wallfahrtsberg erklimmen muss. Habe sie deshalb schon etwas vorgeplant und mich für die 3 km Alternativstrecke entschieden.

    1. Ich freu mich immer so, wenn ich Resonanz bekomme und von dir ganz besonders! Rob ist ein absoluter Schatz. So wie viele andere unterwegs. Ich hatte wirklich Glück mit meinen Begleitern.
      Und was deine Abkürzung anbelangt: mach immer das, was sich gut anfühlt. Und mit dem du dich wohlfühlst. Dann kommst du auch ans Ziel. Mindestens 50% passiert im Kopf und nicht in dem Beinen! Das wird toll! Ich bin gespannt

  2. Het is een prachtig verhaal geworden met veel humor. Door jouw gedetailleerde beschrijving beleef ik elke stap weer opnieuw. Het is als een film die aan mij voorbij trekt. de mede pelgrims , ik zie ze weer voor me, de prachtige natuur, de geuren en kleuren, de nattigheid, de modder en voel intens de vermoeidheid. Ik zie je langzaam verdwijnen achter de horizon en dan in eens het verrassende weerzien tijdens jouw rookpauzes. Tijdens de wandeling denk je niet aan gisteren, niet aan morgen maar bent voortdurend in het „nu“

    1. Ich übersetze mal für alle, die kein Niederländisch können, was Rob geschrieben hat (und wir reden hier von DEM Rob aus der Geschichte – ich freu mich gerade wie ein Schnitzel) 😊:
      Es ist eine wunderbare Geschichte mit viel Humor geworden. Durch deine detaillierten Beschreibungen erlebe ich jeden Schritt noch einmal. Es ist wie ein Film, der an mir vorbei zieht. Ich sehe die anderen Pilger wieder vor mir, die phantastische Natur, die Gerüche, Farben, die Nässe, den Matsch und ich spüre intensiv die Müdigkeit. Ich sehe dich langsam hinter dem Horizont verschwinden und treffe dich dann überraschend wieder bei deinen Raucherpausen. Während der Wanderung denkt man nicht an gestern, nicht an morgen, sondern man ist fortwährend im „Jetzt“.

      Danke, Rob!! Ich freue mich sehr, dass du mitliest.

  3. Ich freue mich jede Woche auf einen neuen Eintrag – gehört es doch zu meinen geheimen Träumen, auch einmal eine Weitwanderung zu unternehmen. Weniger den Jakobsweg, obwohl Schwester und ein guter Freund geradezu Camino-Junkies sind; München-Venedig wäre so mein Geschmack…
    Auf alle Fällle machen Deine Blog-Einträge so richtig Lust aufs Laufen.

    1. Wenn ich kurz klugscheißern darf: geheime Träume sind dazu da, umgesetzt zu werden. Und das Gute beim Wandern ist, dass man quasi „einfach losgehen“ kann. Muss ja nicht gleich 800 km sein.
      Ich fand den Mosel-Camino z.B. mega schön und der war mit 160 km auch gut in einer Woche schaffbar.
      Würde dir zumindest empfehlen, erst mal was kleineres zu testen, bevor es dich gleich über die Alpen treibt (dass einen das fasziniert, verstehe ich übrigens bestens!)

  4. Hallo, heute in meiner privaten Nachlese eine kleine Anektode von mir. Während meines eignen Camino war dein Blog über den Frances tabu, denn jeder geht seinen eignen Weg hinsichtlich Wetter, Touren, Erlebnisse. Ich habe einen kleinen Abstecher nach St Estoban gemacht und mir die Kirche nebst ältester Glocke von Navarra angeschaut. Davor gab’s noch in einen einsamen Dorf den ‚besten“ Kaffee des Ortes. So die Lobpreisung. Gut, der einzige Kaffee ist auch zwangsläufig der Beste. Aber zurück zu St Estoban. Ich hab in der Kirche meinen Pilger Ausweis vergessen und merkte es erst sehr viele später,an einer Brücke, die du auch beschrieben hast. Nun was machen….. Ich entschied weiterzulaufen und in Pamplona auf Fahrradsuche zu gehen. Das hat auch prima geklappt. Casa Paderborn hatte was ich brauchte und so wurde ich auch noch zum Radpilger. Der Ausweis wurde gefunden und mir übergeben in der an der Kirche angrenzenden Herberge… 😊

Und was sagst Du?