Camino Frances #15: Von Belorado nach Ages

Etappe 13 auf dem Jakobsweg. Ich gebe eine Solovorstellung auf dem Laufband, stoße auf eine Indianer-Oase, verliere beinahe meine Identität an der Theke und meine Nerven an einen Trompeter und finde in einem komplett ausgebuchten Ort das Glück bzw. das Glück findet mich (11. Mai 2016, 28,5 km)

Beim Aufwachen um halb sieben gilt mein erster Gedanke Katis Füßen. Ob sie sich weitestgehend erholt haben? Machen sie die heutige Etappe mit oder nicht? Kati ist vorsichtig optimistisch, und so nehmen wir das in der Herberge angebotene Frühstück noch mit und starten gemeinsam um viertel vor acht in Richtung San Juan de Ortega, das in knapp 25 Kilometern auf uns wartet.

Trommelwirbel – mein unfreiwilliger Soloauftritt

Aus vorsichtig optimistischer Skepsis wird bei Kati nach den ersten Schritten mit Rucksack schnell Gewissheit. Das wird nichts. Sie fährt heute Bus. Die Strecke hat es nämlich in sich. Während die ersten 12 Kilometer noch durch verschiedene Ortschaften gehen, von denen Busse fahren, muss man die verbleibenden 12 Kilometer am Stück durch das Nichts von Kastilien und Leon laufen. Wir durchqueren noch gemeinsam Belorado, dann verabschieden wir uns vorerst. Kati will schauen, ob sie irgendwie nach Ages kommen kann, ansonsten sehen wir uns erst in Burgos wieder. Na dann Trommelwirbel – hier ist er, mein unfreiwilliger Soloauftritt. Ich muss allein hin bzw. durch.img_3638

Der Himmel kleidet sich mitfühlend in sein schönstes Grau, als ich einen Fuß vor den anderen setze. Ich komme gut voran, auch wenn ich zugeben muss, dass mich das mehrfache Auf und Ab hinter Tosantos doch etwas unvorbereitet trifft, als der Weg vor mir urplötzlich in steilem Winkel nach oben geht. img_3641Den Hügel aus der Hölle  bezwinge ich zuletzt eher keuchend als atmend. Um mich herum erstreckt sich grünes Tal, das bei Sonnenschein sicher ganz bezaubernd aussehen kann. Heute hängen die Wolken jedoch recht tief. Hoffentlich komme ich trocken durch den Tag.

Gegen zehn sendete Kati das erste Update. Sie fährt direkt bis nach Burgos. Es gibt keine überzeugende Möglichkeit, mit dem Bus nach San Juan de Ortega oder nach Ages zu kommen, weil sie dann an der Landstraße rausgelassen würde und noch drei Kilometer laufen müsste. Sie will ihren Fuß heute lieber komplett schonen, um dann möglichst bald wieder normal durchstarten zu können. Da würde ich an ihrer Stelle auch nicht drei Kilometer querfeldein durch die spanische Walachei pesen wollen. Der Bus nach Burgos kostet übrigens gerade mal drei Euro, ein Taxi nach Ages ganze 30. Wir sehen uns dann also hoffentlich morgen wieder.

Ich nähere mich dem kleinen Ort Villafranca. Es wird Zeit für eine Pause und so lasse ich mich auf der Terrasse einer ziemlich abgeranzten Bar nieder. Als ich zum Bestellen nach drinnen gehe, schaudert es mich. Im Vergleich zu diesem Palazzo ist eine in die Jahre gekommene Hamburger Eckkneipe der Inbegriff von Glanz and Gloria. Der Kaffee schmeckt trotzdem. Im Reiseführer lese ich, dass ich noch vier Kilometer normales Leben vor mir habe, bevor es dann in die Ödnis geht und zwar für satte 12 Kilometer. Na da kommt doch Freude auf.

Laufband-Feeling im Wald

Ich raffe meine Sachen zusammen und gehe gerade wieder los, als die nächste WhatsApp von Kati eintrudelt. Sie ist tatsächlich gerade im Bus an mir vorbeigefahren. Meine blaue Jacke und das pink farbige Shirt waren angeblich nicht zu übersehen. Was für ein Zufall, dass ich gerade in dem Moment wieder entlang der Straße lief, als sie vorbei fuhr. Sie verspricht mir einen glamourösen Einzug mit Tröten und Fahnen in Burgos, und ich schmeiße meinen MP3-Player mit Motivationsmusik an und widme mich den letzten 16 Kilometern. Nach einer Stunde erwartet mich wie angekündigt Wald mit Wald. Durch die Landschaft führt ein breiter, ziemlich aufgewühlter, orangefarbener Weg. Die darin enthaltenen dicken Steine und Spuren von schweren Gefährten erleichtern das Laufen nicht gerade. Spätestens jetzt vermisse ich Kati oder Rob schmerzlich. Was für ein langweiliges Stück. Gefühlt bewege ich mich auf einem Laufband, denn obwohl ich kontinuierlich einen Schritt vor den nächsten setze, komme ich irgendwie nicht von der Stelle. Die Landschaft sieht nämlich durchgehend gleich aus. Ab und an macht der Weg mal eine Kurve und bietet (theoretisch) tolle Aussichten über die Wälder, die aber bei dem inzwischen einsetzenden Nieselregen deutlich an Charme einbüßen. Läuft bei mir…

In der Indianer-Oase

Nach einer gefühlten Ewigkeit – inzwischen habe ich auf einem Baumstamm meinen Rucksack unter seiner Regenschutzhülle verschwinden lassen und bin in die Wind- und Regenjacke geschlüpft, taucht nach sechs von zwölf Kilometern aus dem Nichts eine Oase auf. img_3646Ich sehe abgeholzte Baumstämme, die bunt bemalt worden sind und zu Hockern umfunktioniert wurden. Höhere Stämme wurden wie indianische Marterpfähle ausdekoriert und zwischen den Bäumen hängen vereinzelt Hängematten. Ich frage mich kurz, ob ich unter Wahnvorstellungen leide, da entdecke ich wenig später mitten im Wald einen großen SUV und daneben eine gut gelaunte Frau, die an einem Holztisch von Hand Orangen auspresst und den Saft gegen Spende an ihrem improvisierten Stand ausschenkt. img_3648Ich bin begeistert. In diesem Moment kommt auch noch die Sonne raus – was für ein Highlight (im wahrsten Sinne des Wortes). Ich mache noch einmal Pause und unterhalte mich kurz mit ihr, während ich ihren Hund streichle und den Saft schlürfe.

Als ich aufbreche, wird aus dem Niesel richtiger Regen. Die Strecke zieht sich wie Kaugummi. Ich fluche mehrfach vor mich hin. Ein Königreich für eine Unterhaltung. Während wir sonst eher über- als unterversorgt sind, was andere Pilger anbelangt, ist heute nichts zu holen. Ich schleppe mich weiter und weiter. Dann, endlich, blitzt in der Ferne der Kirchturm von San Juan de Ortega auf. Das Gefühl der Erleichterung erinnert mich stark an den Moment vor zwei Wochen, als endlich Roncesvalles nach meinem Trip über die Pyrenäen hinter den Bäumen zu erkennen war. Aus dem letzten Loch pfeifend, stolpere ich in die einzige Bar am Platz. Die Kirche ignoriere ich gekonnt. Mein sagenhafter Einzug in dieses Fleckchen Erde wird begleitet vom nervtötenden Getröte einer Trompete, die immer und immer wieder die gleiche Tonfolge spielt.

Identitätsverlust am Tresen

Ich stelle mich an die Theke und warte darauf, dass ich endlich an die Reihe komme und kläre dann erst einmal das Nötigste: Kaffee, Kaz Limon, Bocadillo und ein Stempel. Ich muss die Lage erst mal abchecken. Will ich hier bleiben? Erstmal regenerieren, scheint mir das Vernünftigste, und so schleppe ich mich nach draußen in den Nieselregen. Ich muss rauchen. Mir egal, dass ich nass werde. Ich bin eh schon nass. Schuhe aus, Füße massieren, durchatmen.

Ein aufgeregter, anderer Pilger kommt hinter mir her gehetzt und stört meine Idylle. „Excuse me! Excuse me!! Hey!!!!“ „Was denn?“, denke ich unwillig, „kann man nicht einmal seine Ruhe haben?“ Dann sehe ich, dass er eine kleine Tüte in Händen hält, die mir doch sehr bekannt vorkommt. Es ist meine Plastiktüte, in der sich mein Personalausweis, meine Flugtickets und normalerweise auch mein Credencial befinden. Nach dem Stempeln habe ich den Pilgerausweis ohne seine Tüte in meine Bauchtasche gestopft und den Rest einfach liegen lassen. Ich bin offensichtlich ganz schön übermüdet. Was für ein Glück, dass der Mitpilger aufgepasst hat! Das wäre es ja echt noch gewesen: irgendwo im nächsten Dorf feststellen, dass alles fehlt und noch mal zurück müssen. Ich bedanke mich überschwänglich bei meinem Helfer.

Draußen begleitet mich weiterhin der penetrante Klang der Trompete. Übt da jemand sein Instrument? Kann er das gefälligst lassen? Diese Akkustik in Kombination mit der Tatsache, dass der Ort gefühlt aus der Kirche, der Bar und einer Herberge besteht, nimmt mir die Entscheidungsfindung ab. Ich bin zwar jetzt schon stehend k.o., aber hier möchte ich nicht mal tot über dem Zaun hängen. Ich werde also weitergehen. Es ist halb zwei. Bis in den nächsten Ort Ages sind es nur knappe vier Kilometer bzw. eine Stunde. Das schaffe ich auch noch irgendwie. Außerdem sind meine Zigaretten alle und hier gibt es keine.

Als ich kurz davor bin, wieder aufzubrechen, schleppt sich Mädels ins Ziel. Sabrina ist ebenfalls ganz schön fertig. Ich habe sie heute Morgen überholt, eine knappe Stunde nach mir ist sie nun auch hier und, und das macht sie mir gleich noch viel sympathischer, sie hat noch Zigaretten und ist gerne bereit, mir eine abzugeben. Sie klagt über müde Füße und die Monotonie der Strecke, und ich kann es ihr nachfühlen. Als ich ankam, ging es mir genauso. Inzwischen habe ich mich wieder einigermaßen erholt. Sabrina fragt, wo ich schlafen will, und ich erzähle ihr, dass ich noch bis Ages gehen werde. Sie beschließt, es mir gleichzutun, falls sie sich jemals wieder erheben kann.

Der liebe Gott hat Pause, Michael Jackson gibt Gas

Ich überlege noch kurz, ob ich mir die Kirche anschaue, entscheide mich aber ganz schnell dagegen. Ich müsste dazu nämlich mindestens 100 Meter in die falsche Richtung laufen. Die Krypta mit den Überbleibseln des heiligen Juans kann mich mal. Gott hat heute mal Pause. Ich war oft genug zu Besuch und werde sicher in den nächsten Tagen wieder vorbeikommen. Aber für heute heißt es: Kräfte sparen und sinnvoll einsetzen. Ich entscheide, dass mich Michael Jackson moralisch-musikalisch unterstützen soll. Den habe ich auf dem ganzen Weg noch nicht gehört. Wenn mich jemand die nächsten Kilometer voranschieben kann, dann er.

img_3650Und wie so häufig folgt auf Regen Sonnenschein, wetter- wie auch wegtechnisch. Der Regen hört auf, die Sonne kommt durch, und der Camino verwandelt sich in ein traumhaftes, idyllisches Waldstück. Das Licht bricht sich in den noch nassen Blättern, und ich laufe wie von selbst, mit einem vermutlich selten dämlichen, beseelten Lächeln auf den Lippen. Niemand begegnet mir, und ich freue mich über diesen unerwarteten Glücksmoment. Das ist typisch Camino, und einer der Momente, wo ich vor Dankbarkeit laut schreien möchte, dass ich es erleben darf.

Unangenehmes Völlegefühl

Beschwingt reiße ich die Kilometer ab und kann schon bald das kleine Örtchen Ages am Fuße des Hügels ausmachen.img_3653 Obwohl das Fleckchen wahrlich überschaubar ist, verfügt es über vier Herbergen, und ich habe mir bereits eine ausgeguckt. Auch wenn das letzte Stück verhältnismäßig gut ging, bin ich doch mehr als erleichtert, nun am Ziel zu sein. Ich habe fast dreißig Kilometer gemacht. Das ist wahrlich eine Menge.

Auf der Holzbank vor der von mir ausgeguckten Unterkunft El Pajar de Agés sitzen drei ältere Herren aus England, die mich traurig anschauen und den Kopf schütteln. Erst beziehe ich das nicht weiter auf mich, doch schnell merke ich, dass es sehr wohl um meine Person geht. Die Herberge sei voll, sagen sie mir. Ich schaue verwirrt. Voll? Wie jetzt voll? Ja, hier sei kein Bett mehr zu bekommen, erläutern sie. Ich zucke resigniert mit den Schultern. Dann gehe ich eben in die Herberge nebenan. In meinem Zustand ist man da nicht sonderlich wählerisch. Wieder schütteln sie im Gleichklang die Köpfe. Da sei auch alles voll. Der ganze Ort sei voll. Ausgebucht. Completo. Und auch im zweieinhalb Kilometer entfernten Nachbarort gäbe es keine Betten mehr. Sie seien vor einer halben Stunde angekommen und selbst auf der Suche. Wenn ich Glück hätte, bekäme ich als Einzelperson vielleicht noch ein Bett in der Resterampe Casa Roja bzw. The Red House.

Ich fasse es nicht. Ich habe diese Geschichten oft genug gehört, aber bisher immer Glück gehabt. Ausgerechnet heute, wo ich so weit gegangen bin und dann auch noch ganz auf mich allein gestellt bin, passiert das. Was für ein großer Haufen Sch… Ich schaue offensichtlich so resigniert, dass sie Mitleid mit mir haben. Ich solle noch mal hineingehen und nachfragen. Zaghaft betrete ich die Herberge und warte am Ende der Treppe. Hier ist niemand und auch auf mein Hola regt sich erst einmal nichts. Dann taucht der Hospitalero auf, ein gemütlicher Spanier. Ich hole mein Minimalistenspanisch zusammen mit meinem freundlichsten Grinsen und meinem traurigsten Blick raus und radebreche etwas von completo (voll) und cama (Bett) und triste (traurig) und suerte (Glück) und versuche, zu schildern, dass ich gehört habe, es sei voll, aber dass ich ja vielleicht Glück hätte. Trauriger Hundewelpenblick. Pause.

Der Spanier schaut mich verschmitzt lächelnd an. „Una persona?“ „Ja“, nicke ich. Und dann grinst er breit und sagt, ich sei tatsächlich „muy suerte“, denn vor wenigen Minuten hätten Pilger, die zwei Betten reserviert hatten, angerufen und diese gecancelt. Ich kann mein Glück gar nicht fassen und schicke ein kleines Dankesgebet nach oben. Wie gut, dass der liebe Gott nicht nachtragend ist und mir meinen ausgelassenen Besuch in San Juan nicht übel genommen hat. Vermutlich teilt er meine Abneigung gegen Trompeten und hatte Mitleid. Schnell flitze ich noch einmal nach draußen und berichte den drei Engländern. Sie freuen sich ehrlich für mich. Lucky girl!

Dann folge ich dem Hospitalero in ein Zehnerzimmer. Er sagt etwas auf Spanisch zu den anwesenden vier Herren. Der eine, der offensichtlich gut Spanisch spricht, übersetzt für alle anderen: Sie sollen sich benehmen, weil er hier eine chica muy simpatica dabei habe, die heute das Zimmer mit ihnen teilen werde. Ich muss lachen und bin eh einfach nur tierisch erleichtert, hier zu sein. Als ich auf eins der beiden leeren, oberen Betten zusteuere, entdecke ich im unteren Bett einen Bekannten. Es ist Wim, einer der Niederländer von gestern Abend. Er muss kurz überlegen, wo er mich hinsortieren soll, Stichwort Treppe und Restaurant funktioniert dann. Wim wiederum erinnert sich, dass ich Niederländisch kann und informiert die anderen Anwesenden, dass ich sprachlich mithalten kann. Die anderen beiden sind Marco und Thijs. Marco, dessen Spanisch so gut ist, hat enormen Redebedarf. Erst hält er einen kleinen Monolog zum Thema Zigarren, dann über den Mount McKinley. Er ist nicht davon abzubringen, dass ich diesen erklommen haben muss. Ich wiederum wusste bis vor wenigen Minuten noch nicht einmal von dessen Existenz und frage mich, wieso der Typ hier denkt, ich sei dort gewesen. Dann endlich löst sich das Rätsel. Die Hausmarke vom Sport- und Outdoor-Laden, in dem ich den Regenschutz für den Rucksack erstanden habe, ist nach diesem Berg benannt.

Während ich unter der Dusche stehe, höre ich, wie eine weitere Person in unser Zimmer gebracht wird und dabei lauthals auf Deutsch spricht. Ja, na klar, das ist Mädels, die offensichtlich ebenfalls das Ziel erreicht hat. Sie ist also genauso ein Glückspilz wie ich, denn sie hat nun wirklich das allerletzte Bett im ganzen Ort erhascht. Manchmal hat es also auch sein Gutes, alleine unterwegs zu sein.

Ich schnappe mir im Anschluss Wim und wir gehen auf ein Bier in die Bar neben an. Bis zum Essen sind es noch zwei Stunden. img_3656Wir sitzen vor „El Alquemisto“, einem Haus, das aussieht, als würde es jeden Moment zusammenbrechen und unterhalten uns in einer Mischung aus Englisch, Niederländisch und Deutsch. Immer noch kommen Leute an. Unter anderem die Limburger Jos und Rob (a.k.a. Hase und Igel) sowie das ungarische Pärchen, das mit mir im Pumakäfig in Santo Domingo genächtigt hat. Sie müssen alle per Taxi nach Burgos, weil es keine Betten mehr gibt.

Wie aus dem Nichts stehen plötzlich Oli und Torsten vor mir. Die Wiedersehensfreude ist groß. Die beiden sind gestern bereits ein Dorf weitergegangen als Kati und ich und haben daher heute relativ problemlos ein Bett im Ort bekommen. Sie erzählen, dass die Unterkunft leider wohl ein Bettwanzen-Problem gehabt hätte und es alles in allem nicht sonderlich toll war. Auf die Frage, wo denn Kati abgeblieben ist, erzähle ich von der Beulen- bzw. Blasenpest. Torsten tut sich auch gerade schwer. Er hat Schmerzen am Schienbein, die beim Laufen nicht gerade besser werden.

Kein Interview mit einem Vampir

Ich gehe zurück zu Wim und wir quatschen über den Camino und das Leben generell. Wim erzählt von seinem Job, der mich sehr interessiert. Er arbeitet im Bereich Städtebau und entwickelt Mobilitätskonzepte für die Stadt der Zukunft. Da ich gerade auf der Arbeit an einem Projekt zu Trends und Zukunftsthemen gearbeitet habe, ist es umso spannender für mich. Wim läuft außerdem nicht das erste Mal auf dem Jakobsweg. Er hat die 800 Kilometer in drei Stücke geteilt und läuft jedes Jahr einen Teil. Dies ist Teil zwei. Er erzählt mir von seinen Camigos (das ist übrigens Wims Wortschöpfung, die ich seitdem gerne benutze) aus dem Vorjahr. Sie haben immer noch Kontakt und sie fiebern jetzt, wo er sich wieder ein Stück vorgeknöpft hat, mit und versorgen ihn stellenweise mit Tipps, weil sie die Etappen aus dem Vorjahr kennen. Wim liest übrigens auch diesen Blog mit – an dieser Stelle Groetjes!

Die Zeit vergeht wie im Flug. Schnell ist es Zeit für das Abendessen, das wir in einer netten Fünferrunde zusammen mit Mädels, einem weiteren Deutschen und einem Niederländer einnehmen. Das Essen ist absolut mittelmäßig. Vor allem die Knoblauchsuppe ist herausragend. Herausragend penetrant. Der Nachgeschmack dieser Spezialität verfolgt mich bis zum nächsten Tag. Man kann nur hoffen, dass alle um uns herum diese Suppe gegessen haben, sonst wird das eine unschöne Nacht für sie.

Blasen-Kati hat sich noch mal aus Burgos gemeldet und mir eine Sprachnachricht geschickt. Sie hat uns dort ein Doppelzimmer für zwei Nächte gebucht. Baden. Ausschlafen. Nicht bewegen. So ein Pausentag will ja auch ordentlich gefeiert werden und das haben wir uns jetzt auch wirklich mal verdient. Sie erzählt außerdem, dass sie Rob und Jos in der Stadt getroffen habe, die auf der Suche nach einer Bleibe waren. Nachdem Ages komplett ausgebucht gewesen sei und sie auch in Burgos auf eine volle Herberge stießen, hielten die beiden jetzt ebenfalls nach einem Hotel Ausschau. Außerdem rät Kati mir, auf jeden Fall den Umweg am Fluss entlang zu nehmen. Die Industriegebiete um Burgos herum hätten schon vom Bus aus grauenhaft ausgesehen.

img_3647Wim und ich haben uns bereits geeinigt, morgen gemeinsam zu laufen. Es wird eine überschaubare Strecke mit 20 Kilometern. Da wir unsere Herberge erst um zehn verlassen müssen, wollen wir ausschlafen, bei El Alquemisto frühstücken und uns dann gemütlich auf den Weg machen. Wim hat ebenfalls bereits eine Unterkunft in Burgos. Wir können uns also Zeit lassen. Das klingt doch alles in allem nach einem chilligen Tag. Denke ich zumindest. Aber wie immer kommt Hochmut oder Übermut vor dem Fall. Doch dieser Fall ist erst bei der nächsten Etappe dran.

Zeitreise

Vorwärts: Du willst wissen, wie es weitergeht und wie mein Wiedersehen mit Kati in Burgos wird? Dann geh hier mit mir die 20 Kilometer von Ages nach Burgos, die zu einer der schlimmsten Etappen meines gesamten Caminos werden.

Rolle Rückwärts: Du hast den gestrigen Tag verpasst und weißt gar nicht, dass ich einen nicht ganz unwesentlichen Beitrag zu Katis Blasen geleistet habe? Dann komm doch noch mal mit mir auf die 23 Kilometer von Santo Domingo nach Belorado und erfahre außerdem, wie es sich in einem Pumakäfig schläft und wirf einen Blick auf meinen schönsten Sonnenaufgang.

Bist du heute zum allerersten Mal hier und möchtest bei der ersten Etappe anfangen? Dann geht es hier entlang.

Kommentare und Ergänzungen

Warst du schon mal auf dem Jakobsweg? Kennst du die Angst vor ausgebuchten Herbergen oder musstest du sogar vielleicht selbst schon einmal mit dem Taxi Kilometer überspringen, um ein Bett zu kriegen? Hat der penetrante Trompeter bei deinem Aufenthalt in San Juan auch in einem durch Geblasen? Warst du vielleicht sogar auf meinem Stück dabei und hast noch etwas zu ergänzen oder zu korrigieren? Hat dir etwas besonders gefallen oder hat dich etwas gestört? Ich freue mich wie immer über deinen Kommentar.

Ich muss das weitersagen

6 Gedanken zu „Camino Frances #15: Von Belorado nach Ages&8220;

  1. Hui, San Juan de Ortega ist ein blöder Ort. Ich weiß nicht warum, aber ich war zweimal dort. Einmal zu Fuß, einmal mit dem Rad. Aber warm werden konnte ich dort nie. Die Tatsache, dass Dir dort jemand Deinen Beutel gerettet hat, wirft ein anderes Licht auf die nicht vorhandene Magie dieser Kirche/Bar/Vorplatz-Ansammlung.
    Ich habe mit dem Rad zum Glück die endlosen Brandschneisen durch den Wald vermieden und bin hinter Tosantos rechts ab in die Berge. Mit dem Rad traumhaft, wäre es aber zu Fuß ein Riesenumweg.
    Unter hinter Burgos hat eigentlich der schönste Teil des Weges angefangen. Das große Nichts der Meseta.
    Aber Hut ab, vor Deinem Durchhaltewillen und der Fähigkeit, den Humor dabei nie zu verlieren.

    1. Ich fand eigentlich jedes Stück auf seine Art fantastisch. Mit Ausnahme des Stücks von Ages nach Burgos 😂😂 (und später noch mal auf der Alternativstrecke zum Camino Duro).
      Aber selbst darüber kann ich heute lachen. Nur damals gab es als Dankeschön eine Blase am Fuß und eine an der Lippe.

  2. Deine Beschreibungen sind mal wieder soo lebendig, dafühlt man sich gleich mittendrin.. 🙂 Dabei bist Du doch grad auf ner ganz anderen „Baustelle“, dem Hexensteig, nich? 🙂

Und was sagst Du?